Heute begibt es sich, dass einer von uns 100 Jahre alt wird. Einer, der Architekt ist, also doch besser keiner von uns. Einer, der immer behauptete, dass der Marxismus das bessere Gesellschaftssystem ist.
1907 kommt in Rio de Janeiro ein Kind zur Welt, dessen Familie aus Deutschland kam. Wirtschaftsflüchtlinge? Politische Flüchtlinge? Zu einer Zeit als die durchschnittliche Lebenserwartung in Österreich bei 30 Jahren lag. Das Kind wird anders werden. Es wird Künstler und Stadtplaner. Und es wird Kommunist. Das Kind wird wegen seiner kommunistischen Gesinnung seine Heimat verlassen müssen.
Heute wird das Kind ein hundertjähriger Methusalem. Ein begaffenswertes Kuriosum, an dem kein Medium weltweit vorbei kann. Das Fiasko Brasilia und das Scheitern des Kommunismus für die anderen. Und selbst: Persönlichem Erfolg nicht abgeneigt. Stararchitekt Oscar Niemeyer.
Im brasilianischen Bundesstaat Paraná, bei Kilometer 108 auf der BR277, kam es zu einem Zusammenstoß zwischen AktivistInnen der Landlosenbewegung MST und paramilitärischen Polizeieinheiten. Oscar Niemayer feierte in diesem Jahr seinen 93. Geburtstag. Heuer wurde des achten Todestages von Antônio Tavares Pereira gedacht.
„Am Dienstag war es zu heftigen Auseinandersetzungen mit der Polizei gekommen, nachdem Tausende von Landlosen in 22 Bundesstaaten Besetzungen und Aufmärsche organisierten. Insgesamt besetzten sie zwölf öffentliche Gebäude, zumeist Landwirtschaftsministerien und Einrichtungen des Agrarreform-Instituts INCRA. Eine blutige Strassenschlacht entwickelte sich im südlichen Bundesstaat Parana, nachdem die Polizei 40 Busse von Landlosen aufhielt. Antônio Tavares Pereira, ein 38-jähriger MST-Aktivist und Vater von fünf Kindern, erlag einem Bauchschuss. Über 80 Protestierende und Polizisten wurden zum Teil schwer verletzt.“ (Quelle: poonal)
„Die freien Formen dieses Denkmals, zehn Meter hoch, gestaltet von Oscar Niemeyer im Gedenken an die Opfer der gewalttätigen Auseinandersetzungen, sprechen für ihn und für eines seiner Hauptthemen: der Suche nach einem ästhetischen Utopia zur Lösung der sozialen Probleme. Es zeigt in eine neue Welt, grenzenlos, in der durch die politische Aktion und durch Arbeit soziale Veränderungen und bessere Lebensbedingungen erreicht werden.“ Else R P Vieira
Der Bundesstaat ist einer der sozialen Brennpunkte in Brasilien. 12.000 Familien wurden 1975 wegen des Baus des Wasserkraftwerks Itaipu zwangsvertrieben, darunter viele Angehörige vom Stamm der Guaraní. Die erste bundesweite Versammlung des MST, der Bewegung Landarbeiter ohne Land, wurde 1984 in Paraná abgehalten.
Im Oktober 2007 wurde ein weiterer MST-Aktivist und Mitglied der Via Campesina am Rande des Iguazú-Nationalparks von einer privaten Miliz ermordet. Sie drangen in die Landarbeiter-Siedlung Terra livre ein und erschossen den 34jährigen Familienvater „Keno“ Valmir Mota de Oliveira und verwundeten andere schwer. Das Camp Terra livre liegt in der Nähe der Versuchsstation Santa Teresa do Oeste des Schweizer Gentechnologie-Unternehmens Syngenta. MST und Via Campesina werfen Syngenta die Verletzung brasilianischer Gesetze und die genetische Verunreinigung ihrer Maisfelder vor.
Syngenta ist im Jahr 2000 aus der Fusion der Pflanzenschutz-Abteilung von Novartis und der britischen AstraZeneca entstanden. Der Basler Konzern ist weltweit die Nummer 1 im Pflanzenschutz und Nummer 3 beim hochwertigen kommerziellen Saatgut. 2005 steigerte das Unternehmen seinen Gewinn um 25% auf 1 Milliarde Franken. Syngenta beschäftigt 19.000 Personen in 90 Ländern, davon 1.200 in Brasilien.
„Der erhobene Arm des Landarbeiters scheint das Monument in die Höhe zu stossen, Richtung Freiheit, mit der revolutionären Kraft, die aus diesen Männern und Frauen kommt. Die Sichel, geächtet, Werkzeug und Symbol des Kampfes ist ganz in der Hand des Arbeiters. So ergibt es sich, dass — im Verlauf der Geschichte — der Landlose und der Architekt miteinander in Ewigkeit verbunden sind.“ (Gerson Oliveira, Pastorale Land Kommission von Paraná)
Auf die nächsten 100 Jahre!