Wäre Isaías Carrasco nicht einige Tage vor der heutigen Wahl in Spanien ermordet worden, hätte dann die Welt davon mehr als eine kurze Notiz genommen?
Isaías Carrasco war Kommunalpolitiker der (spanisch-)sozialistischen PSOE in Mondragón im spanischen Teil des Baskenlandes, baskisch Arrasate.
Die Bürgermeisterin von Mondragón gehört der ANV an, die ebenso wie die PCTV dem politischen Arm der ETA zugerechnet wird und deshalb an den Wahlen nicht mehr teilnehmen darf. (Kölner Stadt-Anzeiger)
An Mondragón ist aber nicht der baskische Nationalismus bemerkenswert, sondern eine Erfolgsstory, die einzigartig — und wahrscheinlich ohne die besondere Situation der Basken in Spanien nicht erklärbar — ist.
Die Mondragón Corporación Cooperativa (MCC) ist heute die weltgrößte Genossenschaft der Welt. Heute umfasst der Genossenschaftsverbund ca. 120 Genossenschaften (ca. 90 Industriegenossenschaften, eine Konsumgenossenschaft, genossenschaftliche Unternehmen in den Bereichen Landwirtschaft, Wohnbau und Dienstleistungen, Forschungs- und Entwicklungsgenossenschaft, Bildungsgenossenschaften – u.a. eine als Genossenschaft errichtete Universität) mit 83.600 Beschäftigten, 80 % davon GenossInnen (im Baskenland, insgesamt liegt der Anteil der GenossInnen bei 50 %; der Frauenanteil liegt bei 44 %). Dieses enorme Wachstum erklärt sich aus der Zielsetzung (Arbeitsplätze schaffen) und aus der Tatsache, dass den GenossInnen „lebenslange“ Beschäftigung garantiert wird. Wenn eine Genossenschaft in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät, so muss den „freigesetzten“ GenossInnen weiterhin ihr Gehalt bezahlt werden. (Quelle: www.korso.at)
Innerhalb von zehn Jahren wurde die Beschäftigtenzahl verdoppelt. 2004 betrug der Gewinn 500 Millionen Euro. Mondragón ist das führende Industrieunternehmen im Baskenland, das siebtgrößte Unternehmen Spaniens. Die Arbeitslosigkeit beträgt in der Region um Mondragón lediglich zwei Prozent. 2003 wurde Mondragón vom Magazin „Fortune“ als eines der zehn arbeitnehmerfreundlichsten Unternehmen Europas genannt, die dabei angewendeten Kriterien waren: Mitbestimmung, Gleichheit, Gewinnbeteiligung, Zeitflexibilität, Ehrlichkeit, Arbeitsbedingungen und Entwicklungsmöglichkeiten.
Gleichheit drückt sich unter anderem dadurch aus, dass Frauen für die gleiche Arbeit der gleiche Lohn bezahlt wird.
Die Unternehmensgrundsätze von MCC gelten aber nur für Spanien. In anderen Staaten gegründete Töchter haben andere Regeln; auch wenn versucht wird, Teile davon zu übertragen: Die Betriebe sollen bis 2008 zu 30 % in das Eigentum der MitarbeiterInnen übergehen, wenn aus rechtlichen Gründen eine Transformation in eine Genossenschaft nicht möglich ist, und fünf Prozent des Gewinns dieser Unternehmen müssen für die regionale Entwicklung aufgewendet werden. (Quelle: www.korso.at)
Wie das alles begann? Einem jungen Priester, Jose Maria Arizmendiarrieta, wegen seines Kampfes auf der Seite der Republikaner gegen Franco knapp der Todesstrafe entgangen, gelang es mit Unterstützung der Bevölkerung im Jahre 1943, eine technische Berufsschule zu initiieren. Sein Ziel: Ein „Dritter Weg“ zwischen ungezügeltem Kapitalismus und zentralisiertem Sozialismus. Vier Absolventen dieser Schule gründeten Anfang der 50er-Jahre die erste Produktionsgenossenschaft ULGOR.
Sie brachten das notwendige Kapital durch Zuwendungen von Bekannten und Verwandten, baskischen Trinkklubs und der Gemeinde auf und stellten unter Umgehung ausländischer Lizenzrechte Paraffin-Herde und später Öfen her.
Links:
Ein Vortrag von Bernhard Mark-Ungericht über MCC ist auf brennstoff.at als mp3-Download verfügbar.
Von MCC erzeugte Orbea-Fahrräder erhalten Sie zum Beispiel in Peitz bei Radsport Service Nagel in der Straße der Völkerfreundschaft 1. Weitere Verkaufsstellen finden Sie auf www.orbea.com.
In Österreich werden Fahrräder von Orbea nicht angeboten.
Eine Beschreibung der Zisterzienserroute zwischen Tarragona und Lérida, dem GR-175 findet sich ebenfalls auf der Seite www.orbea.com.
Eine Beschreibung der privaten Universität von Mondragón findet sich im spanischen wikipedia.