Das 5. Weltwasserforum in Istanbul ist Geschichte. Die deutschsprachige Presse schrieb eine Geschichte.
Beim Versuch, unterschiedliche Rezeptionen der Ereignisse beim Weltwasserforum nachzulesen, stellt man nach spätestens drei Suchmaschinentreffern fest, dass sich die Berichte bis ins kleinste Detail gleichen. Die Gleichschaltung der veröffentlichten Meinung erreicht nicht erst bei diesem Thema bedenklich arge Dimensionen.
Obwohl es sich beim Weltwasserforum um keine Veranstaltung der Vereinten Nationen handelt, wird der Eindruck erweckt, dass hier eine Konferenz der Staaten stattfindet. Daran trägt die UNO nicht unwesentlich bei. Platzierte sie doch in Istanbul eine Studie von William Cosgrove und Olcay Ünver zur Situation des Süßwassers. Der Befund ist dramatisch, aber keineswegs überraschend. Fast die Hälfte der Weltbevölkerung hat keinen Zugang zu sauberem Wasser. Klimawandel, Bevölkerungswachstum und die ungleiche Verteilung der Wasserressourcen tragen das Potenzial kriegerischer Auseinandersetzungen in sich. Das schrieb der Club of Rome bereits in den 1970er-Jahren.
Die Rolle, die die UNO beim Weltwasserforum spielt, muss ernsthaft hinterfragt werden. Die Berliner taz berichtet, dass der Verbandspräsident der privaten Wasserwirtschaft Gerard Payen zugleich ein führender Berater von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon ist. Nebenbei werkelt Payen auch noch als Manager beim privaten Wasserversorger Suez.
Immer noch TINA?
There is no alternative, lautete die Parole der neoliberalen Protagonistin Margret Thatcher. Zwanzig Jahre später wissen wir, dass sie recht hatte, wenn es darum gegangen ist, den Karren frontal gegen die Wand zu fahren. Was lernen wir aus der Geschichte von Madam Medusa (UB40)? Der UNO-Studien-Autor Cosgrove verkündet, dass die nötigen Investments vom Staat nicht zu stemmen sind. So wie damals die Investitionen in die Eisenbahn-, Gesundheitsinfrastruktur oder die Sicherung der Versorgung im Alter. Ein aufrüttelnder Sager schafft die Anschlussfähigkeit an die TINA-These: Easy water is over, prophezeit deshalb düster Gerard Payen.
Immerhin schätzt die Zürcher Kantonalbank den Markt für Wasserver- und -entsorgung 320 Milliarden Dollar schwer. Rechnet man DienstleisterInnen und den Markt für kostspielige Wassertechnologien zusammen, kommen noch einmal 100 Milliarden Dollar dazu. Lukrativer geht’s leider nicht mehr.
Wer angesichts verknappender Wasserressourcen auf steigende Wasserkurse setzen möchte, muss enttäuscht werden. Keine Futures, Swaps und kein Handel an der Börse mit Wasser. Dennoch ist Wasser schon seit langer Zeit nicht mehr ein „freies Gut“. Einem Grundrecht auf Wasser stehen immer mächtigere Partikularinteressen entgegen.
Vor dieser Erkenntnis gehen offenbar auch einzelne NGOs in die Knie: „Auf dem Privatsektor zeichne sich ein interessanter Trend ab, sagt Jamie Pittock vom World Wide Found, der für die NGOs die Notwendigkeit sieht, in Zukunft verstärkt den Dialog mit den so genannten Global Players zu suchen: ‚Ironischerweise sind es ausgerechnet die multinationalen Unternehmen, die begriffen haben, dass die Welt ein besseres Wassermanagement braucht. Wir beobachten, dass die Wirtschaft dort Verantwortung übernimmt, wo die Regierungen versagen.“ http://www.dw-world.de/dw/article/0,,1941148,00.html (22.03.2006)
Ein ironischer Vorschlag zur Güte: Wie wäre es mit einer Umbennenung des „World Wide Found“ und des Welt Wasser Forums in einen gemeinsamen „World Wide Fund“?