Fürstliches land grabbing

Assentamento Contestado, eine MST-Landbesetzung in Lapa
Assentamento Contestado, eine MST-Landbesetzung in Lapa

Die Sklav_innen wurden befreit, das Land dafür versklavt, beschreibt der brasilianische Soziologe Jose de Souza Martins das 1850 beschlossene Gesetz Lei Terras No. 601, das den privaten Landbesitz regelt.

Brasilien zählt heute noch immer zu den Ländern mit der ungleichsten Verteilung an Grund und Boden. Während 3/4 der Kleinbäuer_innen nur 1/8 des Landes besitzen, freuen sich 0,8 Prozent Großgrundbesitzer_innen über fast 1/3 des Landes.(Quelle: CETRI – Centre Tricontinental)

Mit der Gründung der Bewegung der Landlosen (Movimentos Dos Trabhaladores Rurais Sem Terra) vor 25 Jahren wurde diesem Missstand der unbedingte Kampf angesagt. Unter bestimmten Umständen erlaubt das brasilianische Recht Landbesetzungen, und in einem langwierigen Verfahren kann diese Besetzung legalisiert werden. Der MST wurde zu einer der stärksten und durchsetzungskräftigsten sozialen Bewegungen. In diesem bewegten Vierteljahrhundert erweiterte der MST seine Handlungsoptionen. Neben beinahe 70 sogenannter Assentamentos, genossenschaftlich organisierten bäuerlichen Siedlungen, haben sich 50 Vermarktungsgenossenschaften, 28 Genossenschaften für technische Assistenz und vier Kleinkreditgenossenschaften konstituiert. Ein Zentrum für die Produktion biologischen Saatguts wurde gestartet, um die Bäuer_innen von gentechnisch manipuliertem Saatgut unabhängig zu machen. Der MST initiierte Capacity Building Programme, die auf regionale und umweltspezifische Gegebenheiten Rücksicht nehmen, und mit der Escola Nacional Florestan Fernandes wurde eine Art Volkshochschule für Soziale Bewegungen gegründet.

Das ist gefährlich. In Brasilien gehören angeheuerte Todesschwadronen, bezahlte Schlägertrupps und paramilitärische Polizeieinheiten zum Tagesgeschäft politischer Aushandlungen.

Die Folgen der Krise zeitigen jetzt auch in Brasilien ihre destruktiven Folgen. Land grabbing durch transnationale Konzerne. Aracruz Cellulose, einer der größten Zellstoffproduzenten, hilft nicht nur verrotzten europäischen Nasen, sondern vernichtet im großen Umfang den Lebensraum der Inidigenen und ließ in der Vergangenheit auch massiv gegen diese vorgehen.1 Der Hunger auf Land für schnellwüchsige Eukalyptusplantagen sorgt auch dafür, dass die letzten Reste der Mata Atlantica zerstört werden. Dieser „kalte“ Regenwald entlang der Atlantikküste zählt zu denen mit der höchsten Biodiversität des Planeten.

Aracruz Cellulose besitzt mittlerweile mehr als eine halbe Million Hektar Boden, der in „Grüne Wüste“ umgewandelt wird. Die Kreditkrise ermöglicht nun den Durchgriff des internationalen Agro-Business auf das ganze Land. Marode Zuckermühlen und Ethanolfabriken werden aufgekauft, um die Klimaschutzziele der reichen Länder auf Trab zu bringen. Cosan, einer der größten Zuckererzeuger und Ethanolexporteure der Welt, kaufte mit der Tochter Radar Propriedades Agricolas SA ebenfalls bereits mehr als eine halbe Million Hektar fruchtbaren Landes. Mit Hilfe moderner Satellitentechnologie und Auswertungsverfahren werden lukrative Regionen ausgespäht und erworben. Die Investments werden auch von nordamerikanischen und europäischen Investor_innen mitfinanziert.

Zu den institutionellen Investor_innen zählt die Financial Times u. a. die Credit Suisse Hedging-Griffo, die Deutsche Investment Management Americas, Inc. oder die Norges Bank Investment Management. GRAIN, eine kleine NGO, die sich für die Selbstbestimmung von Kleinlandwirt_innen einsetzt, nennt beispielsweise den Teachers’ Insurance and Annuity Association–College Retirement Equities Fund aus den USA oder einen der größten Getreidehändler, die französische Louis Dreyfus Gruppe, den zweitgrößten Player in Brasiliens Bioenergiegeschäft. Expansionspläne verfolgt auch das US-Agro-Businessunternehmen Bunge und nimmt dafür mit Enthusiasmus 4,3 Milliarden Dollar in die Hand, zitiert Reuters Country Manager Pedro Parente.

Doch Brasilien ist nicht groß genug. Im Nachbarland Guyana wird gerade im großen Stil Land aufgekauft. Der empfindliche Lebensraum der Rupununi Savanne, eines Feuchtgebiets im Süden, steht nun am Wunschzettel des Agro-Business. Walter Raleigh vermutete hier das El Dorado, das Land des Goldes. Heute tut dies das Fürchtentum Liechtenstein. RiceTec gehört zum Firmenimperium „des als Steueroase verrufenen, alpinen Zwergstaates“ und verhandelt laut GRAIN mit der Regierung Guyanas über den Ankauf von 2.000 Hektar Land in dieser sensiblen Region.

Rupununi Savannah Quelle: Wikipedia
Rupununi Savannah Quelle: Wikipedia

RiceTec hat aber auch so ein arg beschädigtes Image: „Es züchtet, produziert und vermarktet hochwertige Reissorten und beliefert 20.000 amerikanische Supermärkte. Den Versuch, 16 Basmati-Reissorten in den USA patentieren und schützen zu lassen, kritisierten Entwicklungsorganisationen als Bio-Piraterie, die hunderttausende indischer und pakistanischer Reisbauern die Existenz koste“, schreibt die Süddeutsche Zeitung und verursachte damit eine veritable diplomatische Verstimmung zwischen den USA und Indien.

Um dieser Situation etwas entgegensetzen und gleichzeitig die Produktionsbedingungen der Kleinbäuer_innen, der Gesellschaft insgesamt, sichern zu können, ist der MST überzeugt, dass die soziale Organisation erheblich verstärkt werden muss. Die Änderungen kommen nicht aus bestimmten sozialen Sektoren, sondern müssen die Artikulation aller sozialen Akteur_innen sein, national wie international, so Douglas Estevam.

Links:

Bis 15. Mai läuft auf www.fian.at die Eilaktion Stopp dem Landraub

1http://www.brot-fuer-die-welt.de/downloads/brasilien/projektcontainer_brasilien-fase.pdf

http://www.regenwald.org/regenwaldreport.php?artid=179

http://www.wald.org/cimi/2002/cimid519.htm

http://www.cimi.org.br/dev.php?system=news&action=imprimir&id=2741&eid=276

http://www.cimi.org.br/dev.php?system=news&action=imprimir&id=2346&eid=276

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