Mein konkret gewordener politischer Aktionismus resultierte dieser Tage in einer erfolgreichen Befreiung einer Androidin.
Nicht einmal die schlimmsten Verfolgungsträume reichen an die Wahnwelt einer Google Androidin heran. Die erstmalige Aktivierung des Phones oder Tablets startet, wenn keine SIM-Card eingelegt ist, mit
1. dem Eingabefeld für den WLAN-Zugang.
Riskiert man* die Bekanntgabe endet der sinnhafte Gebrauch des Teils, wenn
2. kein Google-Account angegeben wird.
Nach ein paar Stunden Recherche über www.etools.ch, der Suchmaschine meiner Wahl, sind die Infos zusammengetragen, um eine Androidin aus dem Google-Gefängnis zu befreien.
Keine Anleitung, ein Erlebnisbericht.
Die Einrichtung eines Google-Accounts, der für die Nutzung des App-Repositories Google-Play vorausgesetzt wird, beinhaltet die Anmeldung an alle möglichen Google-Services. Dürfen wir Ihre persönlichen Daten in Google Cloud speichern?
Meinetwegen dürft ihr alle nichts. Ich möchte bloß ein Ding, das ich unterwegs als rudimentären PC-Ersatz verwenden kann – mit allen bei einem Computer möglichen Opt-Outs und Opt-Ins: Einen Personal Computer. Personal, ist das klar?!
Google führt seit Jahren vor, wie die Leistungen von freien Softwareprogrammierer_innen als Basis für ein erfolgreiches (und steuerschonendes) Geschäftsmodell genutzt werden können. Durch geschickte Verknüpfung von Anwendungen und Diensten, der marktmächtigen Durchsetzung von Standards und Codecs, gelingt es Google, die verschiedenen Open Source-Lizenzen nicht zu brechen, aber de facto den Open Source Gedanken für User_innen ins Gegenteil zu verdrehen: Frei wie Freibier, not free as in free speech.
Dass Google so erfolgreich werden konnte, verdankt es zahlreichen verfolgten Strategien. Zum Beispiel Mythenbildung: der Underdog, der gegen die Starken und Mächtigen kämpft. Don’t be evil. Zum Beispiel Allianzenbildung mit Programmierer_innen und Protagonist_innen aus der Open Source-Szene und Unterstützung: Google Summer of Code, Mozilla Foundation. User_innen der damals ‚Nur‘-Suchmaschine durften auf Treffer hoffen, die in der von wenigen Medien hergestellten Öffentlichkeit nicht existier(t)en. Als Gegenleistung bekam Google Nutzer_innenprofile, die halfen, Algorithmen zu verfeinern und ‚irrelevante‘ Webseiten zu entfernen. Als Draufgabe gab’s eine Portion Witz, die Suche auf Glück oder die berühmten Easter Eggs.
Google 2013 ist eine Kommerzmaschine, die sich nicht mehr zu verstellen braucht. Niemand der sogenannten Marktteilnehmer_innen stellt Google in Frage. Wie auch? TINA. There is no alternative. Und Google veröffentlicht sogar Zahlen von an Geheimdienste und andere fragwürdige Einrichtungen übermittelten User_innen-Daten. Das nennt sich Transparenzbericht, denn andere Gigant_innen der digitalen Welt schweigen. Teile und herrsche.
Was Apple und Microsoft mit ihren Desktop-Systemen begannen, perfektioniert Google mit seiner Androidin, indem es die für die Unternehmen vorteilhaftesten Merkmale dieser beiden Welten vereint: Isolationshaft aus der einen Welt, Kooperation und Akkumulation aus der anderen.
Nach dem Erwerb im Laden oder im Online-Shop landen die Euros bei einer US-amerikanischen Verrechnungsstelle, die möglicherweise (keine) Daten an fragwürdige Geheimdienste weiter leitet und auch keine Echtzeit-Zugriffe freigeschalten hat. Ein heimliches Ratengeschäft: Die Raten werden langsam über aufgefettete und damit wertgesteigerte User_innen-Profile abgestottert.
Diese App verlangt Zugriff auf geschützten Speicher, externe Speicherkarte, Standortverfolgung, Zugriff auf Telefonbuch, Zugriff und Veränderung der Kontakte. Jene App benötigt Root-Rechte. Wieder eine andere App liefert unerwünschte Werbung.
Wenn Sie diese Google-App entfernen, kann Ihr System unbrauchbar werden. Tatsächlich, also reinstalliert. Erinnerungen an den MS Internet Explorer werden wach.
Wer kann diesem Wahnsinn, ohne im Zustand geistiger Umnachtung zu sein, seine Zustimmung erteilen?
Gebrauchselektronik 2013
Das Teil liegt im Zimmer, kein Traumfänger*, nur Staubfänger*. Stille Verärgerung bereitet ein unbehagliches Gefühl. Sollte ich etwa Schmerzensgeldforderungen und Medikamentenrechnungen an Google schicken?
Es platzt der Kragen. Irgendwo gibt es irgendwen, der diesen Zustand ebenfalls unzumutbar und genauso unerträglich findet. Irgendwo gibt es kluge Köpfe, die Werkzeuge bereitstellen, diese undemokratischen Verhältnisse, dieses Überwachungs- und Konditionierungsregime, zu beenden.
Eine Metasuche nach „android befreien“ bringt verwertbare Ergebnisse. Befreien Sie Ihr Smartphone! Cyanogenmod und Replicant. Die Seite prism-break.org weist darauf hin, dass Replicant versucht, auf proprietäre Software zu verzichten.
Ich lerne die Wörter Stock und Rom, USB Debugging kennen, ohne dass sich auf die Schnelle ihre Bedeutung erschließen lassen. Fastboot, lauter, leiser, oben oder unten. Taste. Gerne, welche Taste?, wie auch immer. Laden Sie das Rom auf ihre SD-Karte mit xy aus dem Google Play Store. Ohne Google Account ein sinnfreier Hinweis.
Es gibt auch andere Welten in der einen Welt. Diese andere Welt updatet Rechner mit Tools ‚zum Entfernen unerwünschter Software‘. Für Dummies werden Windows Tools entwickelt. Blöde Sache, wenn kein Windows-Rechner im Eck vergammelt. Also durch die Tür raus aus dem Haus in die Windowswelt. ADB auf dem fremden Rechner installiert, ADB steht nämlich schon lange auf meiner To Do-Hacker-Liste. Kein Gerät konnte nicht gefunden werden. Ich liebe es. Ich recherchiere: Bei mir hat es mit einem anderen Kabel geklappt. Wer ein Doofkopf ist, der sollte sowas bleiben lassen. Hast du eine Ahnung, was du da machst. Neeein, nicht wirklich. Auf neuen Geräten verwendet Google nun mtp und nicht ptp Im Bluetooth (?)-Menü die 2. Option wählen! Win7 erkennt die richtige Einstellung entgegen Forenmeinungen nicht immer automatisch. Ein Recovery aufgespielt. Ein Recovery auf ein Gerät im Auslieferungszustand? Seltsame Logik, der ich da folge. Abrupt endet das How to. Sie können das Gerät nun neu starten. Ok. Neustart. Keine SIM-Card. Geben Sie WLAN-Zugang ein. Google Account später einrichten. Wie nun? Will nicht. Anderes Windows-Tool installiert. Neuer Versuch. Fastboot einschalten: Es kann kein Gerät gefunden werden. I got stuck.
Vorheriges Tool gestartet. Befindet sich das Gerät im Fastboot-Modus, ja, nein, zurück. Eine Option weiß nicht fehlt. Im Zweifel zurück, im zweiten Zweifel nein, im dritten ja eingegeben. Wenn Busy Box bereits installiert wurde und nochmals installiert wird, kann das System unbrauchbar werden. Habe ich, habe ich nicht? WTF ist Busy Box, eine App? In der Liste gibt es keine App Busy Box. Also installieren. Das Gerät ist nun gerootet, ich finde nun bei den Apps SU. Mein Kurzzeitgedächtnis bedeutet mir düster: Die App SU hattest du doch bereits…
Windows Tools sind eine praktische Sache. Bestätigen Sie mit OK. Die Installation ist beendet. Wollen Sie nun starten? Läuft das Programm nicht so glatt wie versprochen und erwartet, wird ein System hinterlassen, dessen Zustand, falls überhaupt, nur mit viel Mühe und Einarbeitungszeit erraten werden kann. Will ich nicht, interessiert mich nicht.
Das Google-Jail an ein freies Linux angeschlossen. Wie oben bereits erwähnt, Einbindung als Kamera auswählen. Die Navigation durchs Dateisystem klappt. Es sieht danach aus, dass mich mein Fastboot-Modus verlassen hat und deshalb nicht das neue Rom von Cyanogenmod eingespielt wurde. Das sympathische Replicant-Projekt, das ich Cyanogenmod vorgezogen hätte, nennt einige Probleme, die auf eine Lösung warten. Kriterium: Auch Replicant kann auf proprietäre Treiber nicht vollständig verzichten, weil schlicht wegen endenwollender Transparenz der Hardwareerzeuger_innen keine OSS-Alternative entwickelt werden kann. Also Cyanogenmod aufsetzen und die weitere Entwicklung bei Replicant abwarten.
Kurz erscheint der Schriftzug Google mit geöffnetem Vorhangschloß, dann erscheint das Cyanogenmod-Ringelspiel. Es ringelt und spielt, dass es eine schier endlose Freude bereitet. ->Reboot. Alles dreht sich. Es darf gesucht werden. Bei mir half wipe (…) und wipe (…) und unter advanced wipe dalvik (oder so ähnlich, im Fastboot-Modus). Ich wipe also gerne, ohne zu wissen, was gewiped wird.
It works!
Oh, die neu gewonnene Freiheit gefällt. Keine blöden Fragen, keine unverschämten Begehrlichkeiten. Statt Googles Play Store das Repo von F-Droid als App installiert. Im F-Droid Repository werden ausschliesslich Open Source Apps gehostet. Open Street Maps offline statt Google Maps online, yeah! Werbeblocker, die Google aus seinem Store rauswarf, yeah! Echte Open Source Browser statt Datenerfassungstools, yeah!
Clients für den Datenmagnet Twitter und das freie GNU social
Freie Clients für twitter, die vor der Installation einen Disclaimer mit sinngemäß folgendem Inhalt schalten: „Wir verwenden die neue API von twitter. Twitter schränkt die API immer mehr ein, sodass mit dem Client wichtige Funktionen nicht mehr verfügbar sind. Außerdem kann die Timeline nur wenige Male am Tag für eine kurze Zeit eingesehen werden.“ Warum sollen twitter-User_innen keine Clients verwenden? Twitter entschädigt seine verhinderten Client-Nutzer_innen seit kurzem mit gesponserten Inhalten, die aus dem Browserverlauf ausgelesen und analysiert werden. Per default aktiviert twitter die Gestattung. DAX- und Börsenkurse wurden mir von twitter zum Beispiel als ‚gesponserter‘ Inhalt präsentiert. (Ein Default-Sponsoring im Fall einer leeren Browserhistory?) Tage davor wählte ich den nie geäußerten Wunsch nach personalisierter Werbung, in der mistverständlichen twitter-Übersetzung als ‚Sponsoring‘ bezeichnet, ab. Twitter, das zensuresistente Netzwerk. Twitter, das Angebot, das auch gegen Überwachungsstaatlichkeit auftritt. Twitter auf dem Sprung in den milliardenschweren Advertising-Markt. Was denkt Apple?
Im Gegensatz zum Play Store befindet sich auf F-Droid ein Client für statusnet oder pumpio (mit Stand 16.7. noch immer nicht online). Nein, nicht einer, verschiedene social Clients, yeah!
Wer androidbasierende Phones oder Tablets verwendet, sollte sich für diese offenen und freien Initiativen ein Projektsponsoring überlegen, echtes Sponsoring.
Anmerkungen:
Durch den Software-Eingriff erlischt nach Foren-Angaben der Garantie-/Gewährleistungsanspruch für die Hardware! Eine rechtliche Prüfung über den behaupteten Verfall des Gewährleistungsanspruchs ist sicher im Sinne vieler Konsument_innen.
Mein Zeitbedarf (ohne Android-Vorkenntnisse):
Recherche und Vorbereitung: zwei Stunden
Entsperren, Rooten, Neuaufsetzen, Absichern: fünf Stunden
Schwierigkeitsgrad: leicht bei unterstütztem Gerät, guter Anleitung und Schritt-für-Schritt-Durchführung; schwierig wird es, wenn Unvorhersehbares eintritt
Tools: werde künftig darauf verzichten, der Weg über die Konsole ist eindeutig zielführender, Konsole-Erfahrung vorausgesetzt
Ein Smartphone ist kein Telefon, sondern ein ausgewachsener Computer. Eine mit Passwort abgesicherte Firewall sollte jedenfalls angedacht werden. Wenigstens in einem Browser alle sicherheitsrelevanten Einstellungen blockieren (JavaScript, Cookies, Plugins etc.), keine Addons installieren.
Die Installationsanleitung von Replicant wirkt um einiges aufgeräumter. Möglicherweise, weil Replicant ganz neu aufgesetzt wird, möglich auch, dass auch dort die Prozedur verkürzt dargestellt wird. Replicant arbeitet auch an einer Implementierung für das freie GTA04 Smartphone, das seit ca. einem Jahr erhältlich ist. Das GTA04 ist ein Phone, dessen Hardware zu 100 Prozent OSS ist und mit einem vorinstallierten Debian ausgeliefert wird. Es kennt daher keine Probleme mit nicht offengelegten Treibern.
Links:
Cyanogenmod http://www.cyanogenmod.org/
Replicant http://replicant.us/
F-Droid https://f-droid.org/
Opt out of PRISM, the NSA’s global data surveillance program. Stop the American government from spying on you by encrypting your communications and ending your reliance on proprietary services. https://prism-break.org
OpenPhoenux: http://www.openphoenux.org/