„Fest nach Fest, Blutbad nach Blutbad, hat das Kapital, zermürbt durch all die Morde, die es verursacht, aufgerieben durch seine eigenen Handlungen, zu verschwinden.“
Louise Michel
Am 18. März 1871 wurde die Pariser Commune erkämpft. Dazu kann in diesen Tagen des 150. Jubliäums sehr viel gelesen werden. Das kollektiv zusammengesetzte Dubamix-Album hat die wenigen Tage, in denen einen emanzipierte und herrschaftsfreie Welt bestand, auf Communardes, Communards in vier Songs zusammengefasst und am 18. März 2021 veröffentlicht. Mit dem Minialbum wird daran erinnert, dass die Pariser Commune nicht auf ein historisches Ereignis reduziert werden kann: Die Commune lebt. Die Commune lebt in unseren Vierteln, in unseren Herzen, unseren ZADs (besetzten Zonen) und unseren Verzweiflungen.
Im Folgenden eine Übersetzung der französischen und englischen Texte.
Alle vier Songs und die Texte können auf der Website https://www.dubamix.net/ angehört werden und stehen zum kostenlosen Download zur Verfügung.
Via https://invidious.snopyta.org/watch?v=7Z2KUtmNQHo sollte das Anhören auch ohne Tracker möglich sein, unter diesem Link auch im Tor-Netzwerk http://c7hqkpkpemu6e7emz5b4vyz7idjgdvgaaa3dyimmeojqbgpea3xqjoid.onion/watch?v=7Z2KUtmNQHo
Kommunard_innen
feat Marina P, Nada, Drowning Dog, L’1consolable, Daman, Mantis, Mal Élevé
Musik nach “Versaillais Versaillais” von Jean Edouard, 1971
Lass uns über das Vermächtnis reden
der nur zwei Monate im Frühling 1871
Die Menschen wollen soziale Veränderungen und sie verwirklichen sie
im Einklang mit ihren Idealen
Genossenschaften entstehen, Leute nehmen ihr Leben
selbst in die Hand
alle Arbeiter_innen sind gleich
Ohne Präsident_in, kein_e Bürgermeister_innen, kein Boss
keine Kirche, kein Staat, immer mehr Befreiung
Es ist dieses Vermächtnis, an das wir uns anlehnen
Alle gemeinsam an der Front
Keine Kinderarbeit mehr
Freie Schulen, kostenlose Kleidung, freies Essen für alle
Der Weg ist lang für die Revolution
Dubamix spielt für die Emanzipation
Keine Zeit verlieren in der Konfusion
Haut ab mit eurer Reaktion
Die rote Fahne
Der Schrecken, den die Menge bei ihnen auslöst und der Geruch des Schießpulvers
Bourgeois, Diebe der (Acker-) Pflüge
Die Proletarier_innen laden sich in das Herz des Hofes ein
Es ist unsere Stunde
Unsere Ängste verlieren sich im Paris der Barrikaden und Kanonen
Wisse, dass die Gefährt_innen und die Verdammten dieser Erde begonnen haben zu handeln
Verbrennt die Knebel
Wir haben aufgehört, den Gottesdienst zu wiederholen
dieser Obskurantismus wird durch Feiern ersetzt
Wir besetzen die Kirche und werfen nichts in ihre Klingelbeutel
Übernahme der Produktionsmittel durch die Föderation. Es ist die Revolution!
Wir haben die Lösungen fernab der Salons: Demokratisierung und freie Edukation
Die Reichen sind angesichts der großen Rache der Gedemütigten ausgeflippt.
Darauf waren sie nicht vorbereitet. Lasst uns die Erinnerung an die Erschossenen lebendig halten.
Denn die Commune lebt in unseren Nachbarschaften, in unseren Herzen, in unseren ZADs und in unserer Bitterkeit.
Möge die alte Welt und ihre Hässlichkeit krepieren
Wann fackeln wir die Sacré-Cœur 1) ab?
Die Commune.
Kollektives Erinnern
Wir brauchen uns gegenseitig
Autonomie für alle
Lange Reise, du verstehst
Staubige Straße
mit Louise Michel
Sie verstecken sich
wieder in Versailles
Sie lassen unsere
Kinder hungern
töten unsere Freund_innen
Lasst uns unsere Traditionen weiter tragen
Die Wellen des
Widerstands
immer schon da
immer sein
Eine freie Menschheit
Wenn wir es wollen
finden wir einen
Weg
Blöder Spruch
Tod der Mono-
Kultur
Es lebe die Vielfalt
Wissen und Brot
für alle
Wir sammeln,
wir kultivieren
Unsere Ideen sterben nicht, sie
überwintern
warten von uns
wieder aufgegriffen zu werden
Das ist Paname 2)!
Wut ruhelos
Furcht verabscheut
Lernen
Akribisch
Verdammtes Wachstum
Solide Konstruktion
Hass, Liebe
Schaffen
Jetzt atmet sie
Handwerker_innen, Arbeiter_innen und all die Vergessenen, ausgeplündert von diesen Bourgeois, ohne je mit der Wimper zu zucken,
[Die anderen] unterbezahlt, überwacht, unterworfen und erschöpft durch die Jagd nach dem Schein, die sie alle krümmt,
Die Solidarität der Leidenden und Gefesselten, ist der beste Schutzschild gegen die Verweigerung all ihrer Rechte.
Müde davon, gemobbt und verängstigt zu werden, „Verschwindet!“ zu rufen, die Rote Fahne gehisst, alle vereinigt,
um sich zu befreien!
18. März: Die wütenden Pariser_innen 3) werden sich den Armeen entgegenstellen, ihre Kanonen werden bewacht!
28. März: die Commune wird ausgerufen, zwei Monate lang, entzündet, von März bis Mai!
Selbstorganisation in den Fabriken, keine Rede mehr von Chefs oder lohnabhängig sein,
Mieten werden abgeschafft, Absetzbarkeit aller Mandatar_innen!
Die Schule ist öffentlich, frei und laizistisch, die Commune trennt schnell Kirche und Staat,
Ausländer_innen erhalten die Staatsbürger_innenschaft, das Programm, das wir uns für die Zukunft vorstellen, alles das gab es damals bereits!
Die Vorgänge in Paris vor 150 Jahren, am Ende ein Blutbad und aufgeschlichtete Körper,
Aber die Kommunard_innen leben immer noch in unseren Erinnerungen, lebendig, entfachen die Hoffnung auf den Sieg und
geben niemals auf!
Seit 1871
Wir wollen Gleichheit für alle
Auf den Barrikaden oder bei der Arbeit
Wir erwarten weder Boni noch Vergünstigungen
Freie und säkulare Bildung
Nachbarschaften und Selbstorganisationen
Gleicher Lohn für egal wen
Wir sind stolz darauf, diese Ansprüche zu haben
Wir bauen unser Werk
Mit der schwarzen Fahne in unseren Herzen
Durch die Teilnahme am sozialen Kampf
Wir lehnen Leinen und Maulkörbe ab
Ein Reich, am Zusammenbrechen und es ist das Volk die Multitude, die sich erhebt, das die Morgen besingt, das die Zukunft erträumt.
Es ist die Geschichte, die durch die Entschlossenheit der Vielen geschrieben wird, es ist die Revolution, die durch das zusammenbrechende System erblüht
Wir übernehmen die Kontrolle über die Waffen, wir gewinnen die Kontrolle über unsere Leben
Die Bürgerlichen sind Geschichte, die Bosse, so wird es im Rathaus geregelt
Es geht um Säkularismus, Gleichheit, Gerechtigkeit
Es geht um Freiheit, um Frauenrechte und um Arbeiter_innen und Arbeitslose, die sich organisieren
Exekutivkomitee, Kommuniqué an das Volk
Weil wir diejenigen sind, die handeln, wir denken nicht nur daran
Doch in Versailles bereitet mann bereits die Repression vor. Der bewaffnete Flügel des Kapitals gibt nie etwas preis
Die Kanonen auf dem Mont Valérien erinnern die Bettler_innen an die Wertlosigkeit ihrer Leben
Und der Rest… Scheiße, ist das blutig. Sie schlachteten Männer, Frauen und Kinder ab
Aber ihre Erinnerungen überleben heute in unseren Kämpfen, in den besetzten Häusern, den ZADs und den Gewerkschaften
Refrain Der Weg ist lang für die Revolution …
Gegen Unterdrückung und Ausbeutung
Für Selbstverwaltung, gegen jede Nation
Gegen Unterdrückung, wir wollen keine Bosse
Einheit! Keine Trennung!
Revolution ist die Lösung
Abriss und die Abschaffung
des Systems, denn es schadet allen
Neukonstruktion: unser Auftrag!
Kommunard_innen – der Traum wird bleiben
L’1consolable: 18. März: die Kanonen werden bewacht! 28. März: Die Commune wird proklamiert,
Der Traum von einer anderen Welt, einer anderen Gesellschaft
Mantis: Ihre Erinnerungen überleben heute in unseren Kämpfen, in den besetzten Häusern, den Zads und in den Gewerkschaften
Jeanne
Worte nach „Jeanne“ von Eugène Châtelain, 1886? (Verse von Nada)
und Eugène Pottiers „Der Geburtstag des 18. März „, 1887 (Couplets von Gé)
Wie dunkel unser Elend auch sein mag,
lasst uns den großen Geburtstag feiern
Wie dunkel unser Elend auch sein mag,
Gefährt_innen, lasst uns vereinen
Unsere Herzen, unsere Gläser, unsere Lieder:
Lasst uns das große Jubiläum feiern!
Der Tag der Menschen! – im Aufstand,
Dem Hinterhalt entkommen.
Der Boden zittert, das Pflaster
Erinnert sich, dass es eine Barrikade war.
Lasst uns diese kostbare Erinnerung lebendig werden!
Es gibt nichts Vergleichbares in der Geschichte,
Und das Morgen, das wir kommen sehen
Der achtzehnte März ist der Prolog.
Sie brüllten, die Föderierten,
Unter einem Generalstab von Verrätern;
Die dreißig Silberlinge, rasend,
Mit ihren Kanonen machen sie sich zu Herrschern.
Jeanne hat die Suppe gekocht;
Mein Sohn saß auf meinem Schoß,
Als plötzlich die Truppe
Erscheint bei uns zu Hause.
Ich wurde nach der Schlacht geholt;
Besiegt und verwundet kam ich nach Hause;
Ich hatte eine klaffende Wunde in meinem Gesicht
Und mein rechtes Handgelenk war zerschmettert.
Meine Frau hat den Krieg verflucht:
Sie hatte tausendmal recht;
Aber sie ahnte es kaum
Dass sie mich nach Hause bringen würden.
Plötzlich fiel sie tot um,
Von den Soldaten in die Seite geschlagen.
Sie hatten unsere Tür aufgbrochen;
Mehr als einer war betrunken und blutig.
Jeanne hatte sich auf sie gestürzt,
Versuchte, sie zu vertreiben,
Die Schufte haben sie getötet…
Sie zertrampelten ihren Körper…
Ich hatte für eine Idee gekämpft
Gegen die Monster an der Macht
Deren Armee befehligt wurde
Von unsichtbaren Verbrechern.
Als die mörderische Stunde schlug,
Ich war nur ein_e einfache_r Bürger_in,
Meine Jeanne war eine Arbeiterin;
Und wir haben uns beide sehr geliebt…
Als die mörderische Stunde schlug,
Ich war nur ein_e einfache_r Bürger_in,
Meine Jeanne war eine Arbeiterin;
Und wir haben uns beide sehr geliebt..
Dann die Macht, schändlich und verrückt,
Flieht in die tiefe Nacht;
Paris, das Zaumzeug um den Hals
Fühlt, dass in die Welt eine neue Welt
geboren wird
Es war der Tag der Unbekannten,
Menschen, geboren aus solchen Schößen,
Eine Gruppe von Proletarier_innen
Die den Parlamentariern die Stirn bieten.
Es war ein strahlender Morgen,
Germinal 4), wo alle unterwegs sind,
Die Menschen öffnen ihre Augen
in der Pracht der roten Fahne.
Er säumt den bescheidenen Fetzen in Gold,
Der blaue Horizont erleuchtet,
Doch nicht mal ein Strahl dringt durch
In die schwarze Hölle der Mine.
So schwarz ist unser Elend,
Gefährt_innen, solidarisieren wir uns
Unsere Herzen, unsere Gläser, unsere Lieder:
Lasst uns den großen Geburtstag feiern
La Semaine Saglante – Die blutige Woche
feat Julien (Joke)
Text und Musik Jean-Batiste Clément (1871)
Außer für Spitzel und Polizist_innen,
Mensch kann die Straßen nicht mehr sehen,
Nur traurige alte Männer in Tränen,
Witwen und Waisen.
Paris trieft vor Elend,
Selbst die Glücklichen zittern.
Die Zeit der Kriegsräte,
Und die Kopfsteinpflaster sind total blutig.
REFRAIN
Ja, aber!
Das Eis ist dünn,
Die schlechten Tage werden enden
Und hütet euch vor der Rache
Wenn alle Armen sich daranmachen
Wenn alle Armen sich daranmachen
Die Zeitungen der ehemaligen Präfektur
Die Freibeuter, die Verrückten,
Die abenteuerlichen Emporkömmlinge,
Die Selbstgefälligen, die Dekorierten
Menschen an der Börse und an Straßenecken,
Liebhaber_innen von Mädchen, die die Gesellschaft abgeschrieben hat,
wimmeln wie ein Haufen Warzen,
Auf den Leichen der Besiegten.
REFRAIN
Es wird gejagt, in Ketten gelegt, erschossen
Alle, nach dem Zufallsprinzip ausgewählt
Die Mutter neben ihrer Tochter,
Das Kind in den Armen des alten Mannes.
Sanktionen der Roten Fahne
Weichen dem Terror
der [coronaleugnenden] Gangstern
Diener_innen der Herrschenden.
REFRAIN
Morgen die Polizei
Sie wird die Gehsteige überwuchern,
Stolz auf ihren Dienst für den Staat,
Und Pistolen und Pfefferspray in ihren Händen.
Ohne Brot, ohne Arbeit und ohne Waffen,
Werden wir regiert werden
Von [rechten] Denunziant_innen und Polizist_innen,
Von [populistischen] Scharfmacher_innen und Priestern.
REFRAIN
Wird das Volk, mit dem Halsband des Elends
Für immer gefesselt sein?
Bis wann werden die Menschen des Krieges
die Oberhand behalten?
Bis wann wird die Heilige Clique
denken, dass wir gemeines Vieh sind?
Und wann wird die Republik
Gerechtigkeit und ein Grundeinkommen umsetzen Arbeitslosigkeit beenden?
Versaillais, Versaillais 5)
feat Daman, Fred Alpi
Text / Musik von Jean-Edouard Barbe (1971)
Winter 71 ist der Winter des Chaos
Der Winter der Niederlage gegen das Königshaus Preussen 6)
Der Winter des Leidens und der Winter des Hungers
Der Winter der Kollaborateur_innen, der falschen Republikaner_innen
Scharlachrote Kokarden 7) beginnen zu blühen
Und bald auf der Straße bricht der Schrei der Menschen aus.
REFRAIN
Versaillais, Versaillais,
Du hast das Herz einer Revolution erschossen
Versaillais, Versaillais,
Du hast sie ins Gefängnis geworfen
Aber es bleibt in Paris der Geist der Aufständischen
Eines Morgens beginnt in ganz Paris der Aufstand
Und Paris muss gegen die Reaktion kämpfen
Student_innen, Arbeiter_innen, ladet eure Gewehre 8)
Von der Spitze der Barrikaden schwenkt eure Fahnen
Winkt mit euren Fahnen, die Versaillais bombardieren
Winkt mit einem Taschentuch, rot mit dem Blut eines Menschen.
Mit der Grausamkeit eines wildgewordenen Tieres menschenverachtenden Politiker_s
Thiers tötete die Kommune in einem roten Gemetzel
Hinter den Gräbern und Kreuzen eines Friedhofs
Bei 10 gegen 200 die Revolutionär_innen
Die letzten Föderierten gegen eine Mauer sind gefallen
Nur ein Wort flüstern, das Wort Brüderlichkeit Solidarität.
________________
1) gemeint ist wahrscheinlich die Basilika Sacré-Cœur am Montmartre
2) Paname ist eine Bezeichnung für Paris. Die Bezeichnung geht auf Arbeiter_innen, die die Errichtung des Panama-Kanals überlebten, zurück und zur Begrüßung ihren Panama-Hut hoben und „Panama“ sagten. https://fr.wikipedia.org/wiki/Paris#Paris_dans_la_culture_populaire
3) im Original Parigotes, Bezeichnung für Pariser_innen
4) germinal, siebter Monat (zwischen März und April) des Republikanischen Kalenders, der nach der bürgerlichen Revolution 1792 in Kraft gesetzt wurde und bis 1806 galt. Neologismus von französisch germer – keimen. Quelle: Louise Michel, Aneignung, bahoe books, 2013
5) Versaillais, Bezeichnung für die Versailler Armee, die die Pariser Commune in einem Blutbad, 30.000 Ermordete, Frauen, Männer, Babys, niederschlug, Quelle: Louise Michel, Aneignung, bahoe books, 2013
6) Pruscos, abwertende Bezeichnung für Preuss_innen, https://www.cnrtl.fr/definition/prusco
7) Kokarde, irgendwas mit militärischem Abzeichen auf einer Uniform
8) im Original: chassepot, ein Infanteriegewehr, wird in dem Revolutionslied La Semaine Sanglante als die Waffe der Frauen der Commune besungen, hier in einer anderen Version https://rebellyon.info/Chants-de-lutte-chants-revolutionnaires-7867
Eingangs-Zitat Louise Michel, Quelle: Louise Michel, Aneignung, bahoe books, 2013
Anmerkung zu der Übersetzung:
In der Übersetzung wird auch die unglaubliche Vielfalt der Geschlechter abgebildet. Manches Wording, bspw. Volk, ist im Deutschen aus historischen Gründen nicht verwendbar. Es gelang aber nicht immer ein passendes oder besseres Synonym zu finden. Als eine Art Wiedergutmachung finden sich einige modifizierte Textpassagen, in Klammer gesetzt, durchgestrichen, die so im Original nicht zu finden sind.
Korrekturen werden gerne eingearbeitet.