Es war ein friedlicher #nowkr-Protest gestern Abend. Darin waren sich die österreichischen Medien bereits in der Nacht einig.
Was nun daran friedlich gewesen sein soll, erklären die Blätter nicht. Sie hinterfragen auch nicht, warum im Vergleich zu den gewalttätigen Protesten 2014 die heuer so friedlichen Proteste zu um 400 Prozent mehr Festgenommenen führen.
Tatsächlich verhielten sich die Demonstrant_innen so wie auch im Vorjahr. Und die Jahre davor: Dort wo der Staat versagt, nämlich in der Bekämpfung des Rechtsextremismus, werden Methoden des zivilen Ungehorsams notwendig. Ein Zeichen des Protests, aber auch der Versuch, die Zustände wieder ins rechte Lot zurücken.
Es ist nur scheinbar ein Paradoxon, wenn sich Menschen unter sehr hohem persönlichen Risiko engagieren, um bürgerliche Werte und ihr kapitalistisches Modell einer Gesellschaftsordnung zu verteidigen. Und das, obwohl viele der Protestierenden sich zu eben diesen Idealen in krasser Opposition befinden.
Das liberal-konservative Bürger_innentum liegt, seitdem seine Geldwerte von der Globalisierung übernommen wurden und seine patridiotischen Gefühle durch die EU zersetzt werden, in einer existenziellen Sinnkrise. Wozu ein autoaggressives System verteidigen? Wozu sich solidarisieren mit Aktivist_innen, vor denen sie ihre Eltern und Großeltern schon gewarnt hatten?
Antifaschistischer Protest füllt, muss dieses politische Vakuum ausfüllen. Der Zorn richtet sich zwangsläufig nicht gegen Menschen, sondern gegen ihr System. Ein System der praktischen Solidarisierung bürgerlicher Eliten und ihren Mitläufer_innen mit dem Rechtsextremismus, ihre bereitwillige Komplizenschaft, die ihre Eltern und Großeltern schon im Austrofaschismus und im Nationalsozialismus praktizierten.
„Natürliche“ Gewalt
Es entspricht ihrer Verwertungslogik, das Adjektiv friedlich materialistisch zu betrachten. Aber ist es friedlich auf Aktionen des zivilen Ungehorsams mit Polizeigewalt zu antworten? Ist es friedlich, wenn die körperliche Unversehrtheit von Menschen vorsätzlich riskiert wird, weil sie sich auf eine Straße setzen, Lieder singen und Parolen rufen? Ist es friedlich, wenn Manifestant_innen die Freiheit geraubt wird, weil sie ihre angeblich garantierten Freiheiten wahrnehmen? Ist es friedlich, wer so Kriminalisierten mit institutionalisierter Repression begegnet?
Ein politisches System, das das Mittelmeer zu einem Massengrab macht, kann nicht als friedlich bezeichnet werden. Wer ganz Europa in die Massenverelendung treibt, ist nicht friedlich. Wer die Polizeien militarisiert, um sie politisch gegen die gegen die hier lebenden, pauperisierten Menschen einzusetzen, ist nicht friedlich.
Gestern gelernt: Repression braucht keine Militanz
Es ist nackte Gewalt, deren Maskierung durch die ihnen zugestandene Definitionsmacht gelingt und daraus ihre Legitimation bezieht. Es ist die Gewalt eines Apparats, der in einen überhöhten, quasi-natürlichen Status gehoben wurde. Eine Steigerung bei der Zahl der Festnahmen um mehr als 400 Prozent trotz attestierter Friedfertigkeit belegt diese Behauptung. Ein weiterer Beleg ist der Polizeikessel vor dem PAZ Rossauer Lände um Mitternacht gegen eine genehmigte Kundgebung (es gibt auch Berichte über massive Polizeigewalt). Der Vorwurf einer unangemeldeten Kundgebung und damit die Rechtfertigung der polizeilichen Übergriffe sind damit unzutreffend.
Es herrscht rohe Gewalt. Gewalt gegen eine Gruppe von Menschen, die die herrschenden Eliten als Feinde markieren und die so gebrandet grausame Behandlung verdienen.