Die Räterepublik in München ist wohl den meisten Besucher_innen dieser Website bekannt. Wahrscheinlich kennen viele auch die, nur für einen Augenblick der Geschichte währende, Räterepublik in Ungarn. Aber kennt ihr die Geschichte der Murrepulik?
Im Nordosten des Gebietes des jetzigen Sloweniens, südlich des sogenannten Ungarn und der sogenannten Republik Österreich und dem Fluß Mur liegt die Prekmurje, das Land oberhalb der Mur. Tausende Jahre, oder so, waren die hier ansässigen Menschen unter der Knute der ungarischen Großgrundbesitzer. Seit der K.u.K Monarchie Österreich-Ungarn änderten sich die Verhältnisse nur an der Oberfläche. Die Tagelöhner_innen von damals sind heute motorisiert und nicht wenige verdingen ihre Brosamen mit schlecht bezahlten Jobs in Österreich. Die Infrastruktur wird im Vergleich mit anderen Regionen Sloweniens sichtbar vernachlässigt. Die Felder sind klein und die zahlreichen noch nicht drainagierten Wiesen bieten Störchen, Wachtelkönigen und Wiedehopfen nahrungsreiche Lebensräume.
Die Prekmurje ist in der Weltgeschichte so verloren, dass sogar das heutige präfaschistische Ungarn, das gerne von der Wiederherstellung Großungarns spricht, darauf vergisst. Denn den Herrschern Ungarns war es immer schon herzlich egal, wer hier oder dort lebt, solange es mit der Vergrößerung seiner Gebietsansprüche einhergehen kann: Die Bewohner_innen der Prekmurje mit vorwiegend slawischen Wurzeln wurden Anfang der vorigen Jahrhunderts einfach zu Ungarn erklärt.
Und so war es nur eine Frage des schönen Wetters bis es hier knallt, wie Oto Luthar in Prekmurje, Für Neugierige und Liebhaber, schreibt. Luthar erzählt eine Geschichte, die sich zur Legende auswuchs und tief in die Geschichte dieses Landstrichs eingeschrieben ist: Die räterepulikanische Murrepublik.
Am 29. Mai 1919 um 11 Uhr 30 begann diese Geschichte. Am 3. Juni war diese Geschichte einer Räterepublik wieder Geschichte. Ironie der Geschichte, niedergeschlagen von einer anderen Räterepublik. Der Räterepublik Ungarns.
Am 31. Mai gelangte das abgesetzte Telegramm über den Aufstand in Budapest und ohne zu zögern, wurden Militäreinheiten Richtung Prekmurje in Marsch gesetzt. Am 5. Juni, zwei Tage nach der Absetzung der gewählten Rät_innen, waren die bewaffneten Auseinandersetzungen zu Ende.
„Das nationale Prinzip verschlang rasch das soziale oder jenes der Klasse“, schreibt Oto Luthar. Dieser Irrationalismus ist in der heutigen, präfaschistischen Zeit, so aktuell wie damals.
Aber die Legende lebt. Aufmerksame Besucher_innen dieses übersehenen Winkels mitten in Europa werden immer wieder auf Graffitis stoßen, die die Errichtung der Räterepublik Prekmurje fordern.
Quelle:
Prekmurje, Für Neugierige und Liebhaber, Oto Luthar, Hsg., Znanstvenoraziskovalni Center Sazu,Ljubljana-Petanjci, 2012