Guerilla Gardening

Wenn Guerilla Marketing erlaubt ist, warum nicht auch Guerilla
Gardening. Eine kurze Geschichte über die Zurückeroberung städtischen
Raumes.

Als die Zeiten noch wild waren, war der Fußball noch kein High-Tech-Gerät, sondern ein Fetznlaberl. Gespielt wurde nicht im kommunal administrierten Käfig mit sozialarbeiterischer Parkbetreuung, sondern völlig autonom auf der naheliegenden Gstettn.

Dann kamen das Wirtschaftswunder und größere Wohnungen und ein Fernsehgerät mit erheblich mehr Erlebnispotential. Dann kam der Erdölschock und damit eine Zeit der permanenten Krise, die bis heute anhält. Neben überwunden geglaubten existentiellen Bedrohungen wie Langzeitarbeitslosigkeit, Wohnungsnot oder schlechter Ernährung kamen völlig neue dazu: mangelnde genetische oder soziale Ausstattung mit Intelligenz (und damit verbundenen Barrieren zu Informationszugängen, Arbeitschancen, Bildungs- und Beteiligungsmöglichkeiten), absolute Vereinsamung oder die Aussperrung aus öffentlichen Räumen.

Was in den 70er-Jahren in den US-amerikanischen Kommunen ihren Ausgang nahm, sickert nach und nach auch in unser Alltagsleben. Die eigenartige Aufteilung, dass jene Leistungen, mit denen – wie man damals dachte – kein Geschäft zu machen war, wie Soziales, Gesundheit, Müllentsorgung, kurz Infrastruktur und Daseinsvorsorge, den Gemeinden überlassen wurde und alles Andere profitorientierten Unternehmen quasi naturgesetzlich zusteht, führt in Zeiten, in denen Steuern und Abgaben versiegen, zu Einschränkungen öffentlicher Leistungen.

Heute erfahren wir, dass auch die dahinkümmernden öffentlichen Dienstleistungen quasi naturgesetzlich profitorientierten Unternehmen zusteht und man nur 40 Jahre in einem allgemein akzeptierten Irrtum lebte.

Wohnungsnot war vor Jahrzehnten in Europa weniger ein ökonomisches Defizit als ein ideologisches Konstrukt und Hausbesetzungen ein politisches Statement. Heutzutage ist Wohnungsnot eine Folge der Deregulierung von Gesetzen zum MieterInnenschutz verbunden mit sozialer/kultureller/ethnischer Ausgrenzungen. Diesen Gruppen fehlt es nicht nur an Kraft und Zeit, Gegenstrategien zu entwickeln, sondern auch und vor allem, an Wissen und Zugängen ihr Recht auf ein „gutes Leben“ einzufordern.

In den abgehausten Gegenden New Yorks entwickelte sich in den 70er-Jahren mit der postindustriellen Transformation in eine Informationsgesellschaft ein neuartiges zugewandertes Proletariat. Und mit ihm vielfältige Überlebens- und Widerstandsformen. Eine davon war die Aneignung ungenutzter Flächen zur Kultivierung mit Gemüsen und Zierpflanzen. Zuerst misstrauisch beäugt, dann bekämpft und schließlich von den staatlichen Autoritäten gefördert und unterstützt. Soziale Probleme wurden entschärft. Stadteile attraktiv. Und schließlich auch wieder für Investoren attraktiv. Das Spiel beginnt von Neuem.

Als in Wien auf das Fetznlaberl gedroschen wurde, war Argentinien ein wohlhabendes Land. Eines der begehrten Ziele für ItalienerInnen, die zu der Zeit keine Perspektiven mehr sahen. Diese wurden ein halbes Jahrhundert später wieder unsichtbar. Die internationale Spekulationswelle gegen Staaten hatte Argentinien voll erwischt.

Was folgte, waren erstaunliche Aktivitäten der Zivilgesellschaft: Tauschkreise wurden gegründet, Fabriken besetzt und selbstverwaltet weiter betrieben, und man trat der Idee der urbanen Landwirtschaft näher: zur Grundversorgung mit frischen Lebensmitteln, zum Verkauf auf lokalen Märkten oder zur Verringerung der Abhängigkeit von agrarindustriellen Erzeugnissen.

In Deutschland wird mit der Idee der Gemeinschaftsgärten der integrative Charakter betont. Allein in Berlin werden rund 15 interkulturelle Gärten betrieben. Eingetragene Projekte finden sich auf urbanacker.net

Wertvolle Tipps zur Wiederaneignung öffentlichen Raums gibt die Seite www.gruenewelle.org.

  1. Halte Ausschau nach einem verwahrlosten Stück Land, vorzugsweise in der eigenen Nachbarschaft. In Berlin eignen sich besonders gut Baumscheiben, Brachflächen und ungenutzte Pflanzkübel.
  2. Entscheide, was Du anpflanzen möchtest und ob Deine Wahl Sinn macht. Zähe Gewächse und schnell wachsende Blumen geben gute Erfolgserlebnisse für den Anfang.
  3. In Gemeinschaft macht´s mehr Spass – finde Verbündete! Sprich mit Freunden und Nachbarn!

In Österreich sind zur Zeit einige Initiativen aktiv und treffen sich am 8. und 9. März 2008 zur 1. Österreichischen Netzwerktagung Interkulturelle Gärten
Ort: VWV Kunst und Kommunikation/Werkstätte Kunstberufe (Bockkeller), Gallitzinstraße1, 1160 Wien

Das Programm kann auf der Seite der Seite der via campesina austria abgerufen werden.

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