Coops für die Zukunft

Ein Bus von Irizar in Irland
Bus Eireann von Irizar in Irland

Dieses Jahr haben die Vereinten Nationen zum Internationalen Jahr der Genossenschaften erklärt. Damit soll auf die weltweite Bedeutung dieser nicht profitorientierten Unternehmensform hingewiesen werden.

UN-Generalsekretär Ban-Ki Moon begründet diese Entscheidung mit der Verbindung von Wirtschaftlichkeit und sozialer Verantwortung, die die Genossenschaften der internationalen Gemeinschaft vorleben.

Das Genossenschaftswesen in der Welt

Europaweit sind über 150.000 Genossenschaften mit mehr als 120 Millionen Genossenschafter_innen registriert. Während weltweit rund 300 Millionen Personen Aktien besitzen, ist die Zahl der Genossenschafter_innen dreimal so hoch: 1 Milliarde Menschen sind genossenschaftlich organisiert. Besonders stark sind Genossenschaften in Asien verankert. Und so verwundert es nicht, dass das Internationale Jahr 2012 einer Initiative der Mongolei zu verdanken ist.
Und es mag auch kein Zufall sein, dass die Genossenschaftsidee und das Internationale Jahr der Genossenschaften im deutschen und österreichischem Raum bislang nur ein sehr verhaltenes mediales Echo erfuhren.

In Deutschland befinden sich Genossenschaften seit Jahren auf dem Rückzug. Sowohl was die Zahl der Genossenschaften anbelangt (zwischen 1970 und 2000 hat sich ihre Anzahl auf 9.000 Genossenschaften halbiert) als auch ihr Anteil am Gesamtumsatz aller privatrechtlichen Unternehmen, der 1998 nur mehr unbedeutende 1,4 Prozent betrug. In Österreich haben Genossenschaften seit dem Konsumdebakel Mitte der 1990er-Jahre in der veröffentlichten Meinung einen schlechten Ruf. Die extreme Rechte führt bis in die Gegenwart einen ideologisch motivierten Kampf gegen Genossenschaften, Stichwort Giebelkreuzler.

Wie immer, wenn die extreme Rechte versucht, hegemoniale Positionen zu erringen, geht es dabei nicht um die nur allzu berechtigte Kritik an den österreichischen Raiffeisengenossenschaften, sondern darum, ein ideologisch bestimmtes Gesellschaftsbild zu transportieren. Selbstorganisation steht in offenem Gegensatz zu einem autokratischen Prinzip. Der genossenschaftliche Solidaritätsgedanke steht diametral zum biologistischen Prinzip des Stärkeren der extremen Rechten, zu denen auch die Marktradikalen zu zählen sind.

Die österreichische (und auch die deutsche) Gesetzgebung erleichtert der extremen Rechten diese gesellschaftspolitische Auseinandersetzung, indem es die Gründung von Genossenschaften unnötig bürokratisiert. Steuerrechtlich werden Genossenschaften undifferenziert in einen Topf mit anderen Kapitalgesellschaften geworfen und müssen – egal ob Kindergartengenossenschaften oder Kleinkraftwerksgenossenschaften – Körperschaftssteuer zahlen. Bei zahlreich angebotenen Förderungs- und Beratungsangeboten bei Unternehmensgründungen bleiben Genossenschaften außen vor.

Eine positive Diskriminierung (Bevorzugung) von Genossenschaften beispielsweise bei der Vergabe von Aufträgen der Öffentlichen Hand sucht man in den hiesigen Gesetzgebungen vergeblich.

Spanien, Italien und Frankreich hingegen unterstützten die Neugründung von Genossenschaften. Marode Betriebe, die von der Belegschaft genossenschaftlich organisiert weiter geführt werden, dürfen mit proaktiver Unterstützung des Staates rechnen. Ein Dorn im Wettbewerbsauge der damaligen EU-Kommission.

Das Internationale Jahr der Genossenschaften

Die Generalversammlung der Vereinten Nationen hat die Bedeutung des genossenschaftlichen Gedankens erkannt. Ein Anteil, eine Stimme rückt das demokratische Prinzip wieder in den Mittelpunkt des Lebens und stigmatisiert damit implizit das aktienrechtliche Je-mehr-Kohle-desto-mehr-Stimmen. Der Fördergedanke der Genossenschaften für die Genossenschafter_innen bietet eine überzeugende Alternative zum egoistischen Shareholder-Value-Prinzip.

„Wir sind an einem Wendepunkt unserer Geschichte angelangt“, sagt Felice Scalvini, Vizepräsident von Cooperatives Europe, „unser Wirtschaftmodell kann nicht nur durch Profite angetrieben werden. Die Robustheit der Genossenschaften während der Krise beweist, dass Geschäfte von Menschen für Menschen einen bedeutenden Beitrag zu Nachhaltigkeit leisten.“

Monique Leroux, CEO der Desjardins Group, einer Genossenschaft, die zu den wichtigsten Finanzinstitutionen Kanadas zählt, sagte anlässlich der Vorstellung des Internationalen Jahres der Genossenschaften: „Die Occupy Wall Street Bewegung war eine Erinnerung, dass Humankapital wichtiger als Finanzkapital ist. Das kooperative Modell war ein Modell, das den Menschen langfristige Prosperität sicherte. Es gab sie, um Menschen zu unterstützen und die Realwirtschaft zu unterstützen.“

Diese Einschätzung teilt sie mit der Soziologin Gabriele Herbert, die in ihrem Beitrag Die unsichtbare Hand in der Selbstverwaltung schreibt: „Das Kapital in genossenschaftlicher Hand verliert eine seiner wichtigsten Eigenschaften im Kapitalismus – seine Mobilität.“  Das durch Arbeit erwirtschaftete Kapital wird in einer Genossenschaft an die Arbeitsplätze gebunden und bleibt so in der Region.

Die Praktiker_innen der Coop Irizar bestätigen auf ihrer Website dieses gänzlich andere Verständnis unternehmerischen Handelns: „Die Gesellschaft nimmt bei Irizar eine vorrangige Stellung ein. Schaffen von Wohlstand und Arbeitsplätzen in den Regionen in denen wir aktiv sind, ist ein grundlegender Aspekt im Leitbild des Unternehmens.“

Also, was tun?

„Hier wäre ein Feld, wo im Alltagsleben politisch gehandelt werden kann: indem man erstens versucht, möglichst viele Alltagsbedürfnisse wie Wohnen, Einkaufen, Reisen, Bankgeschäfte und vieles mehr auf genossenschaftliche Weise zu befriedigen, indem man sich zweitens als Mitglied in der Genossenschaft möglichst stark engagiert, zumindest aber die demokratische Kontrolle durch die Mitgliederversammlung wahrnimmt, und indem man drittens bereits bestehende ‚traditionelle‘ Genossenschaften wieder zu beleben versucht,“ benennt Gabriele Herbert mögliche Handlungsoptionen.

Links & Quellen
http://social.un.org/coopsyear/ – Webseite der UNO zum Internationalen Jahr der Genossenschaften 2012
http://www.genossenschaften.de/ – Offizielle deutsche Website zum Internationalen Jahr der Genossenschaften

Gabriele Herbert in Solidarische Ökonomie, Hg. Elmar Altvater/ Nicola Sekler, VSA-Verlag, 2006.

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