Kürzlich veröffentlichte die New York Times einen Bericht der Forschungsgruppen Forensic Architecture und Forensic Oceanography über den Ertrinkungstod von geflüchteten Personen im Mittelmeer. Das sorgfältig recherchierte Dokument mit dem Titel „ ‚Es ist ein Akt des Mordens‘: Wie Europa das Leiden auslagert während geflüchtete Personen ertrinken“ wertete zahlreiche Videoaufnahmen und Funksprüche, GPS-Daten der Schifffahrt aus, erstellte 3-D-Modelle und forschte nach Überlebenden einer Tragödie, die am 6. November 2017 durch das EU-Grenzregime und ihrer libyschen Kollaborateure in Internalem Gewässer herbeigeführt wurde.
Wenige Monate zuvor bezeichnete der Neo-Faschist Matteo Salvini die Personen in Europas größtem Gefängnis für Politische Flüchtlinge auf Sizilien als „Menschenfleisch“. Seit 1. Juni 2018 ist Salvini Innenminister und damit politischer Befehlshaber einer schwer bewaffneten Gruppe: der Polizei. Vorgestern drohte Salvini der widerständigen Kommune von Palermo unverhohlen mit dem Einsatz der Armee.
Die Erfindung von Müllverbrechen und die wahren Verbrechen auf See
Gestern wurde bekannt, dass die rechtsextreme Regierung in Rom die Beschlagnahme des Rettungsschiffs Aquarius der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen verfügte. Zusätzlich wurden Kontoverbindungen in der Gesamthöhe von 460.000 Euro eingefroren. Gleichzeitig werden Ermittlungen gegen Aktivist_innen von Ärzte ohne Grenzen aufgenommen.
Als „einen besorgniserregenden Angriff – a sinister attack“ bezeichnet MSF diese Attacke. Frédéric Penard von SOS Méditerranée sprach von „Kriminalisierung von humanitärer Hilfe auf See“.
Der Vorwurf der Autoritären in Rom lautet auf illegalem Handel mit gefährlichem Müll, berichtet die Nachrichtenagentur ANSA. „Die Erfindung von Müllverbrechen und die wahren Verbrechen auf See“ weiterlesen
Der Tod ist ein Meister der Rechtspopulisten
oder wie die faschistische Lega Nord das Massengrab Mittelmeer vergrößert
Rechtspopulismus tötet. Punkt. Wer mutwillig das Überqueren des Mittelmeers immer gefährlicher macht, macht sich indirekt mitschuldig am Massensterben im Mittelmeer. Wer Menschen nicht rettet, obwohl er/sie es könnten, bewegt sich rechtlich auf der geraden Linie an deren Ende Mord als grausamstes Verbrechen steht. Wer Menschen in Lebensgefahr nicht rettet, sondern zuvor sogar ankündigt diese Rettung aus ideologischen Gründen mit aller rechtsstaatlich möglichen Gewaltanwendung vorsätzlich zu verhindern, macht was? Wie ist eine solche Politik des Todes politisch einzuordnen? Rechtspopulismus, Rechtsextremismus, Faschismus?
Der Innenminister des Staates des Staats Italien macht die beschriebene Vorgangsmaßnahme der politisch beabsichtigten Menschenopfer zum Kern seiner Politik und zur staatlichen Doktrin. „Der Tod ist ein Meister der Rechtspopulisten“ weiterlesen
Elisabeth Eidenbenz und die Maternité in Elne
Nachdem die faschistischen Franco-Truppen das republikanische Spanien besiegt hatten und Hitler-Deutschland die jüdische Bevölkerung und Oppositionelle immer stärker verfolgte, wurde Europa zum Ort der größten europäischen Fluchtbewegungen. Menschen in Spanien wurden zur Flucht vor den Faschisten* Richtung Norden gezwungen und aus dem Norden und Osten mussten Menschen vor den deutschen Faschisten* Richtung Frankreich, Spanien, die Niederlande flüchten. Immer in der Hoffnung auf einen sicheren Ort oder auf ein Schiff, das Richtung Übersee ablegen würde.
Azucena Rubio, selbst als Kind von Geflüchteten im Lager von Argelès interniert und nach wie vor aktive libertäre Antifaschistin erzählt die beeindruckende Geschichte von Elisabeth Eidenbenz: „Elisabeth Eidenbenz und die Maternité in Elne“ weiterlesen
Scharfe Schüsse an der Grenze
„Eine syrische Geflüchtete wurde von Grenzpolizei angeschossen, innerhalb des Schengen-Raums, an der slowakisch-ungarischen Grenze. Kaum Aufmerksamkeit. Keine Demonstrationen. Kein Aufschrei. Ein Vorfall von vielen. Empörung bleibt aus“, schreibt Anja Svobodovna in der Graswurzelrevolution 410 und befürchtet im weiteren eine „Normalisierung von menschenverachtender Politik“.
„Der beinahe tödliche Schuß eines Grenzgendarms auf einen unbewaffneten rumänischen Migranten ist eine Konsequenz dieser rassistischen Politik, und die öffentlichen Reaktionen auf diese Tat fügen sich nahtlos in den rassistischen Grundkonsens in diesem Land ein“, berichtet das Tatblatt Nr. plus 82.
Was war laut Tatblatt geschehen?
„Dieser Tage löste der Versuch einer zwanzig bis dreißigköpfigen Gruppe von RumänInnen, die grüne Grenze zwischen Kärnten und Italien zu überqueren, eine Menschenjagd sondergleichen aus. „Scharfe Schüsse an der Grenze“ weiterlesen
Freier Mensch, erinnere dich – Die Retirada und die Shoa in Frankreich
Die französischen Internierungslager im Südwesten von 1939 bis 1944
„Unsere Leute sind sehr unglücklich, weil ich wieder einmal am Ende meiner Hilfsmöglichkeiten bin.“ Friedel Bohny-Reiter, die als Krankenschwester für die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für kriegsgeschädigte Kinder (SAK) im französischen Internierungslager Rivesaltes im Einsatz ist, wird kurz vor der Schließung des Lagers Ende 1942 diesen deprimierenden Tagebucheintrag machen. In Ihrem „Journal de Rivesaltes“ schreibt sie viel über das tägliche Elend und die Verzweiflung, die Hoffnungslosigkeit und Entmutigung. Als die SS im Camp eingetroffen war, um die Zahl der Jüd_innen zu ermitteln, die deportiert werden könnten, vermerkt sie unaufgeregt: „Heute kamen schwarze Wägen ins Lager – Deutsche Kommission.“
Vielleicht war sie bloß vorsichtig in ihrer Wortwahl. Vielleicht war ihr auch schon zu Ohren gekommen, dass der neue Chef der SAK, die in der Schweizer Rotes Kreuz Kinderhilfe aufging, ein „Mann mit antisemitschen Gefühlen“ war, so beschreibt Eveline Hasler Oberst Hugo Remund in ihrem halbdokumentarischen Roman Mit dem letzten Schiff.
Aber hin und wieder wird Friedel Bohny-Reiter wütend, wenn sie zum Beispiel schreibt: „Manchmal überkommt mich eine ohnmächtige Wut auf die, die dieses Elend herbeigeführt hatten.“ Explizit politisch wird sie selten: „Wer gibt Menschen das Recht, über andere zu verfügen? Über die, die anders, vertrieben, ohne Papiere sind?“
„Freier Mensch, erinnere dich – Die Retirada und die Shoa in Frankreich“ weiterlesen
Die Arbeiter_innen der Union Sandalière – Eine solidarische Fluchterzählung aus den Pyrenäen
Am 26. Jänner 1939 fiel Barcelona. Spanien war faschistisch. Die Unterstützer_innen der Republik, vorwiegend Angehörige der starken anarchistischen Arbeiter_innen-Bewegung und verschiedener linker Parteien, mussten flüchten. Wenige Republikaner_innen versuchten den Fluchtweg über das Mittelmeer. In Alicante warteten madrilenische Kämpfer_innen auf die von Frankreich und Großbritanien versprochenen Schiffe. Ohne Nahrung, bei Kälte und Regen harrten sie drei Tage lang vergeblich aus. Stattdessen kamen italienische Kriegsschiffe und die Guardia Civil. Aus den Geflüchteten wurden Gefangene. „Die Arbeiter_innen der Union Sandalière – Eine solidarische Fluchterzählung aus den Pyrenäen“ weiterlesen
Die Kettenhundereaktion
Die Kaiserlich und Königliche Hauptstadt Wien lud letzte Woche Nachfolgestaaten der österreichischischen Monarchie zu einer Konferenz mit dem Ziel, verfolgten Menschen die Flucht in wohlhabende europäische Staaten zu verwehren. Ausgesperrt von dieser Konferenz war das Syriza-regierte Griechenland.
Die rechte österreichische Regierung initiierte dieses Zusammentreffen aus vermutlich gut überlegten Erwägungen: Die Länder am Balkan sind so sehr wie keine andere Region von der wirtschaftlichen Macht Österreichs abhängig. Die rechts-konservativ bis rechtsextrem regierten Balkanstaaten stehen nicht nur in einer ökonomischen Abhängigkeit zu Österreich, sie sind auch Drehscheibe in Zusammenhang mit dem größten österreichischen Bankenzusammenbruch seit dem Schwarzen Freitag.
Faschistische serbische und kroatische Verbände standen bereits damals fanatisch an der Seite Nazi-Österreichs, wenn es um die brutale Unterdrückung und die skrupellose Vernichtung ethnischer, religiöser oder anders definierter Minderheiten ging. „Die Kettenhundereaktion“ weiterlesen
Den Mythos Migration einfach dekonstruieren
Grenzregime töten
Tote Geflüchtete in einem LKW lösen wieder einmal Trauer und Bestürzung aus. Die öffentlichen Wortmeldungen erinnern an die große Schiffskatastrophe vor Lampedusa, als mehr als 800 Menschen Opfer der Festung Europa wurden.
Stereotyp sind die Schuldigen rasch identifiziert: Rassist_innen sind sich nicht zu schäbig, die Refugees selbst für ihr Sterben verantwortlich zu machen und die an den rechtsextremen Rand abgedriftete politische Mitte macht Fluchthelfer_innen für den Tod verantwortlich.
Martialismus wird als notwendig erachtet, wenn politisches Versagen kaschiert werden soll: Das Zeitalter des Kampfes gegen die Flüchtlingskrise ist ausgerufen.
Eine klassische Verdrehung der Tatsachen. „Grenzregime töten“ weiterlesen