Der alte Gaul bog langsam um die Kurve zwischen zwei ebenerdigen Häusern. Das eine Haus bildete mit seinem Fundament, das mit einer personenhohen Mauer hintaus Richtung Fluss verlängert war, die sichtbare Grenze zwischen den beiden Grundstücken und ließ auf keine allzu freundliche Nachbarschaft schließen. Die Hufschläge knirschten oder – vielmehr – schliffen nun nicht mehr, als der Wagen von der betonierten Hauptstraße in den unbefestigten Innenhof gezogen war. Der Kutscher hing halb vom Wagen und regte sich nicht, auch dann nicht als das Pferd auf dem winzigen Anwesen halt gemacht hatte.
„Herr Richard, die Rechten und die Ratten“ weiterlesenSpenden wider den nationalistischen Rassismus
Mehr als 5.000 Tote durch Covid19 in der Region Österreich alleine. Infizierte, im Spital aufgenommen Erkrankte, wie viele benötigen intensivmedizinische Behandlung, darüber wird penibel Buch geführt. Mediale rassistisch-klassistische Zuweisungen inklusive.
Doch wie viele Menschen sterben vor den Grenzen dieses Staates? Wie viele sterben an den vorgelagerten Grenzen, weil die Balkanroute geschlossen wurde? Wie viele erleiden durch Hunger, Polizeibrutalität und rassistische Verfolgungen bleibende körperliche Schäden und (zusätzliche) psychische Traumata? Die Verwalter_innen des Erbes der extrem rechten Regierungsvergangenheit haben dafür zwar keine Buchhalter_innen-Rechenmaschinen, aber marketingtechnische Buzzwords, wie z.B Pull-Effekt.
„Spenden wider den nationalistischen Rassismus“ weiterlesenDie Geschichte der Seenotrettung. Eine Erinnerung.
Das Vorgehen der Europäischen Union wird noch verbrecherischer. Während die Repression gegen Antifaschist_innen, die Anwendung sogenannter Terrorgesetze gegen Umwelt- und Klimaaktivist_innen, willkürliche Polizeigewalt gegen Protestierende oder anlasslose permanente Überwachungsmaßnahmen in den EU-Staaten immer häufiger zum Einsatz gebracht werden, nimmt das durch EU-Politiken verursachte Leid von Menschen auf der Flucht außerhalb und innerhalb der EU immer verheerendere Ausmaße an.
Diese Entwicklung ist kein Zufall. An ihr wird seit Jahrzehnten kontinuierlich gearbeitet. Je mehr möglich ist, desto mehr wird auch umgesetzt.
„Die Geschichte der Seenotrettung. Eine Erinnerung.“ weiterlesenRiace. Wie die italienische Regierung ein Dorfleben auslöscht
„Es wird der Tag kommen, an dem die Menschenrechte wieder respektiert werden, ein Tag an dem es mehr Frieden als Krieg geben wird, mehr Gleichheit und Freiheit als Barbarei. Der Tag an dem niemand mehr in der Business Class reisen wird, während andere von kolonialen Häfen wie Waren gestapelt losfahren und sich in einem Meer des Hasses verzweifelt an jede Welle klammern.“
An das Ende eines offenen Briefes stellt der Bürgermeister von Riace, Domenico Lucano, aus dem Hausarrest diesen hoffnungsvollen Satz.
Am 2. Oktober 2018 wurde der Lehrer Domenico Lucano von der rechtsextremen römischen Regierung seines Bürgermeisteramts enthoben und gleichzeitig unter Hausarrest gestellt. Zwei Wochen später wurde der Hausarrest aufgehoben und für Domenico Lucano ein Aufenthaltsverbot in Riace ausgesprochen.
Aber warum? Was treibt eine Regierung, die den italienischen Faschismus verherrlicht, die bedauert, dass Roma und Sinti mit italienischem Reisepass nicht deportiert werden können und das Mancino-Gesetz zur Anstiftung zum Fremdenhass abschaffen möchte, dazu, gegen ein 2.000-Einwohner_innen-Dorf am entlegensten Rand alle verfügbaren rechtsstaatlichen Mittel einzusetzen?
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Scharfe Schüsse an der Grenze
„Eine syrische Geflüchtete wurde von Grenzpolizei angeschossen, innerhalb des Schengen-Raums, an der slowakisch-ungarischen Grenze. Kaum Aufmerksamkeit. Keine Demonstrationen. Kein Aufschrei. Ein Vorfall von vielen. Empörung bleibt aus“, schreibt Anja Svobodovna in der Graswurzelrevolution 410 und befürchtet im weiteren eine „Normalisierung von menschenverachtender Politik“.
„Der beinahe tödliche Schuß eines Grenzgendarms auf einen unbewaffneten rumänischen Migranten ist eine Konsequenz dieser rassistischen Politik, und die öffentlichen Reaktionen auf diese Tat fügen sich nahtlos in den rassistischen Grundkonsens in diesem Land ein“, berichtet das Tatblatt Nr. plus 82.
Was war laut Tatblatt geschehen?
„Dieser Tage löste der Versuch einer zwanzig bis dreißigköpfigen Gruppe von RumänInnen, die grüne Grenze zwischen Kärnten und Italien zu überqueren, eine Menschenjagd sondergleichen aus. „Scharfe Schüsse an der Grenze“ weiterlesen
Freier Mensch, erinnere dich – Die Retirada und die Shoa in Frankreich
Die französischen Internierungslager im Südwesten von 1939 bis 1944
„Unsere Leute sind sehr unglücklich, weil ich wieder einmal am Ende meiner Hilfsmöglichkeiten bin.“ Friedel Bohny-Reiter, die als Krankenschwester für die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für kriegsgeschädigte Kinder (SAK) im französischen Internierungslager Rivesaltes im Einsatz ist, wird kurz vor der Schließung des Lagers Ende 1942 diesen deprimierenden Tagebucheintrag machen. In Ihrem „Journal de Rivesaltes“ schreibt sie viel über das tägliche Elend und die Verzweiflung, die Hoffnungslosigkeit und Entmutigung. Als die SS im Camp eingetroffen war, um die Zahl der Jüd_innen zu ermitteln, die deportiert werden könnten, vermerkt sie unaufgeregt: „Heute kamen schwarze Wägen ins Lager – Deutsche Kommission.“
Vielleicht war sie bloß vorsichtig in ihrer Wortwahl. Vielleicht war ihr auch schon zu Ohren gekommen, dass der neue Chef der SAK, die in der Schweizer Rotes Kreuz Kinderhilfe aufging, ein „Mann mit antisemitschen Gefühlen“ war, so beschreibt Eveline Hasler Oberst Hugo Remund in ihrem halbdokumentarischen Roman Mit dem letzten Schiff.
Aber hin und wieder wird Friedel Bohny-Reiter wütend, wenn sie zum Beispiel schreibt: „Manchmal überkommt mich eine ohnmächtige Wut auf die, die dieses Elend herbeigeführt hatten.“ Explizit politisch wird sie selten: „Wer gibt Menschen das Recht, über andere zu verfügen? Über die, die anders, vertrieben, ohne Papiere sind?“
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Die Arbeiter_innen der Union Sandalière – Eine solidarische Fluchterzählung aus den Pyrenäen
Am 26. Jänner 1939 fiel Barcelona. Spanien war faschistisch. Die Unterstützer_innen der Republik, vorwiegend Angehörige der starken anarchistischen Arbeiter_innen-Bewegung und verschiedener linker Parteien, mussten flüchten. Wenige Republikaner_innen versuchten den Fluchtweg über das Mittelmeer. In Alicante warteten madrilenische Kämpfer_innen auf die von Frankreich und Großbritanien versprochenen Schiffe. Ohne Nahrung, bei Kälte und Regen harrten sie drei Tage lang vergeblich aus. Stattdessen kamen italienische Kriegsschiffe und die Guardia Civil. Aus den Geflüchteten wurden Gefangene. „Die Arbeiter_innen der Union Sandalière – Eine solidarische Fluchterzählung aus den Pyrenäen“ weiterlesen
Den Mythos Migration einfach dekonstruieren
Grenzregime töten
Tote Geflüchtete in einem LKW lösen wieder einmal Trauer und Bestürzung aus. Die öffentlichen Wortmeldungen erinnern an die große Schiffskatastrophe vor Lampedusa, als mehr als 800 Menschen Opfer der Festung Europa wurden.
Stereotyp sind die Schuldigen rasch identifiziert: Rassist_innen sind sich nicht zu schäbig, die Refugees selbst für ihr Sterben verantwortlich zu machen und die an den rechtsextremen Rand abgedriftete politische Mitte macht Fluchthelfer_innen für den Tod verantwortlich.
Martialismus wird als notwendig erachtet, wenn politisches Versagen kaschiert werden soll: Das Zeitalter des Kampfes gegen die Flüchtlingskrise ist ausgerufen.
Eine klassische Verdrehung der Tatsachen. „Grenzregime töten“ weiterlesen
Begegnungen in Riace
Eine der vielen europäischen Krisen stellt das Konstrukt der Immigrationskrise dar. Wenn Zehntausende auf dem Weg nach Europa sterben, ist die Krise keine Flüchtlingskrise, sondern, wie alle anderen Krisen, eine politische Krise.
Die Gründe für den lebensgefährlichen Weg nach Europa sind vermutlich so vielfältig, wie die Menschen, die ihn beschreiten. Die kausalen Gründe liegen in einem nach wie vor wirksamen nördlichen Kolonialismus, in ungehemmter Ausbeutung von Ressourcen mit unabsehbaren ökologischen Folgen, Wirtschaftsbeziehungen, die Not und Elend verstärken, Koalierungen mit korrupten Oligarchien und feudaler militärischer Durchsetzung geopolitischer Interessen. Die europäischen Eliten sind weder fähig, das Sterben an den EU-Grenzen zu beenden, noch besteht der Wille, diese gegenwärtige Form, die nur von Europäer_innen als sublime Fortsetzung einer imperialistischen „Tradition“ gelesen werden kann, zu beenden.
Zu groß sind die Vorteile für die Festung Europa, wenn dieses mordende Grenzregime aufrecht erhalten wird. Zu überzeugend sind die niedrigen Preise für landwirtschaftliche Erzeugnisse wie Gemüse und Obst, das von einem auf Illegalisierung von Menschen ausgelegtem Rechtssystem, die auf Grund der Schöpfung eines vollkommen entrechteten, im besten Fall informell tagelöhnerischen Subproletariats möglich werden. Menschen werden zur kapitalistischen Verschubmasse gemacht, deren Voraussetzung die Entsolidarisierung und ein ausgeblendetes Klassenbewusstsein sind.
Doch es geht auch anders. In Süditalien, das nach wie vor von den ökonomischen und sozialen Strukturen der Mafia dominiert wird, liegt das Dorf Riace in dem ein Entwurf für ein antirassistisches Europa ohne Fremdenhass skizziert wird, berichten europäische Medien.
Aber wie sehen das die Refugees von Riace? „Begegnungen in Riace“ weiterlesen