Angekommen in der Überwachungsstaat-Dystopie
Seit dem gewaltsamen Tod der couragierten Kurdin Mahsa Amini in den Händen der iranischen Sicherheitskräfte, reißen die Proteste gegen das Regime nicht mehr ab. Warum im Gegensatz zu früheren Aufständen dem Patriarchat ihre Niederschlagung nicht mehr gelingen mag, könnte auch an der unmenschlichen Erfahrung mit der dystopischen iranischen Wirklichkeit zusammenhängen.
Der Staat als Social Hacker
„Wird eine Spitzelgeschichte herrschaftskonform publiziert, kommt sie im Gewande eines Kriminalfalls daher. Die angeblichen Täter:innen werden vorgeführt, das unterstellte Verbrechen findet im Spitzelbericht seine Bestätigung und die sonst nicht sichtbaren Herrschaftsorgane im Spitzel selbst ihre Verkörperung.“
Markus Mohr, Klaus Viehmann
Das Spitzelwesen im Europa des 3. Jahrtausends unterscheidet sich durch nichts von Diktaturen und anderen autoritären Regimes. Das scheint niemanden wirklich zu stören. Ordentliche Bürger:innen freuen sich allenthalben über das versprochene Mehr an Sicherheit, das von Sozialen Bewegungen ernstlich oder vorgeblich bedroht wird. Gegen die Bespitzelung der Polizei durch verdeckte Ermittler:innen ist kein Rechtsmittel vorgesehen. Verdeckte Ermittler:innen müssen sich am Ende ihres vorgetäuschten Lebens bei den von ihnen Betrogenen weder entschuldigen, noch müssen sie sich danach erklären, wer sie eigentlich wirklich sind.
Der demokratische Rechtsstaat ist der Ansicht, über Personen, die er als „Gefährder:innen“ einstuft, obwalten zu können, als sei er könig:innengleich: Intransparent, willkürlich und an- bzw. verleitend. Umso bemerkenswerter ist es, wenn eine vom Staat missbrauchte Person vor Gericht zieht und Gerechtigkeit und – soweit möglich – Wiedergutmachung einfordert. Wie es der Aktivist Jason Kirkpatrick gerade in Schwerin versucht. Was dieser Versuch mit den Kill The Bill-Riots und dem dystopischen Überwachungsstaat zu tun hat?
„Der Staat als Social Hacker“ weiterlesenCorona-Krise und der Kampf gegen Energiearmut in der Region Spanien
Die Region Spanien wurde diesen Winter nicht nur von der Corona-Krise schwer getroffen, sondern auch von einem ungewöhnlich kalten Winter. Seit der sogenannten Wirtschaftskrise, die zu den monatelangen M-12-Protesten führte, ist die Kluft zwischen arm und reich unüberwindbar geworden. Die Zahl, der in die hoffnungslose Armut gedrängten Menschen, ist riesig. Die Covid-19-Pandemie hat die ohnehin schon für viele prekäre Lebenssituation noch einmal verschärft. Viele können sich die Lichtrechnung nicht mehr leisten. Der private Energiesektor dreht den Strom einfach ab. Im Madrider Stadtteil Cañada Real leben seit Monaten mehr als 7.000 Menschen ohne Strom. Die New York Times verglich die Zustände mit denen in einem bosnischen Elendslager für geflüchtete Menschen.
Menschen starben bereits an dieser kapitalistisch verursachten Energiearmut. Doch es regt sich auch Widerstand und Protest. Berichtet wird von Brandstiftungen und Farbanschlägen an Einrichtungen und Infrastruktur der großen spanischen Energieversorger. Die anadalusische Landarbeiter_innengewerkschaft SAT besetzte den Sitz des Energieunternehmens Endesa in Sevilla, dem größten Verursacher von Treibhausgasen in der Region Spanien. Ziel war es, die Vergesellschaftung der Energieunternehmen zu erreichen. Die Polizei reagierte mit Repression und im Fall der SAT-Aktivistin Dolores mit Folter. Óscar Reina Gómez, von dem hier schon die Rede war, machte diesen Fall am Wochenende öffentlich.
„Corona-Krise und der Kampf gegen Energiearmut in der Region Spanien“ weiterlesenDie Nikolaus-to-Prison-Pipeline
Noch heute erzählt ein Elternteil wie schwer das gewesen sei, mit diesen Geschenken bei allen möglichen Festen. In der Schule, privat in der Familie und mit Verwandten. Nikolaus war eines der sinnfreiesten und im Kontext mit dem sogenannten Krampusfest, für uns Kinder die bedrohlichste Zeit des ganzen Jahres. Darüber täuschten auch die zu erwartenden Süßigkeiten nicht hinweg.
Egal, ob in Bildungsanstalten oder beim Einkauf, in diesen dunklen Dezember-Tagen war immer und überall eine Konfrontation mit diesen sonderbar verkleideten Gestalten zu erwarten. Immer und überall war damit zu rechnen, dass sich fremde Erwachsene über dich beugten und mit gekünstelter tiefer Stimme Fragen an dich richten, die ich schon als kleiner Mensch als unzulässige Grenzüberschreitung empfand.
Tausende demonstrierten in Wien für Carola Rackete
Die Kapitänin Carola Rackete ist das aktuelle und gegenwärtig bekannteste Opfer der rassistischen und post-neo-faschistischen Politik in der Region Italien. In vielen Städten des Kontinents gehen Menschen dagegen auf die Straße – Antirassismus ist und bleibt Fuß- und Handarbeit.
In Wien waren es Dienstagabend rund 2.600 Demonstrant_innen, die sich mit der Seenotretterin Carola Rackete solidarisch erklärten.
Den mobilen Knast zum Wanken bringen – die Hausbesetzung NeLe35
Heute vor 70 Jahren wurden die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte verabschiedet. 18 Jahre später wurde das Recht auf Wohnen in die Europäische Sozialcharta aufgenommen. Aber wer kann sich ernsthaft freuen, in einer Welt zu leben, die Rechte für Selbstverständliches verordnen muss?
Warum die Stadt Wien einen Besetzungsparagraphen für leerstehende Immobilien braucht, illustrieren die Vorgänge rund um die neueste Hausbesetzung in Ottakring.
Update: 2020-02-04 Video Soliaktion
Für ein freies und gutes Leben für alle!
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Riace. Wie die italienische Regierung ein Dorfleben auslöscht
„Es wird der Tag kommen, an dem die Menschenrechte wieder respektiert werden, ein Tag an dem es mehr Frieden als Krieg geben wird, mehr Gleichheit und Freiheit als Barbarei. Der Tag an dem niemand mehr in der Business Class reisen wird, während andere von kolonialen Häfen wie Waren gestapelt losfahren und sich in einem Meer des Hasses verzweifelt an jede Welle klammern.“
An das Ende eines offenen Briefes stellt der Bürgermeister von Riace, Domenico Lucano, aus dem Hausarrest diesen hoffnungsvollen Satz.
Am 2. Oktober 2018 wurde der Lehrer Domenico Lucano von der rechtsextremen römischen Regierung seines Bürgermeisteramts enthoben und gleichzeitig unter Hausarrest gestellt. Zwei Wochen später wurde der Hausarrest aufgehoben und für Domenico Lucano ein Aufenthaltsverbot in Riace ausgesprochen.
Aber warum? Was treibt eine Regierung, die den italienischen Faschismus verherrlicht, die bedauert, dass Roma und Sinti mit italienischem Reisepass nicht deportiert werden können und das Mancino-Gesetz zur Anstiftung zum Fremdenhass abschaffen möchte, dazu, gegen ein 2.000-Einwohner_innen-Dorf am entlegensten Rand alle verfügbaren rechtsstaatlichen Mittel einzusetzen?
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Das Leben hat keinen Sinn, wenn wir nicht für andere kämpfen
In Erinnerung an Soumaila Sacko, Landarbeiter, Gewerkschaftsaktivist, Refugee.
Ermordet einen Tag nach der rechtsextremen Machtübernahme in Italien. Rest in Power!
Als wir Óscar Reina treffen, kommt er gerade von einer Besetzung der Biologischen Station im Nationalpark Doñana, wo zwei Genoss_innen gekündigt wurden. „Es hat sich gezeigt, wenn wir Direkte Aktionen durchführen, wenn wir kämpfen, erreichen wir unsere Ziele.“ Denn es sieht danach aus, dass die Compas wieder eingestellt werden, zeigt sich der Generalsekretär der andalusischen Gewerkschaft SAT (Sindicato Andaluz de Trabajadores – Andalusische Arbeiter_innen und Arbeitslosen-Gewerkschaft) zuversichtlich.
Das ist nur ein Beispiel von vielen Kämpfen der SAT, die ursprünglich als eine Gewerkschaft der landlosen Landarbeiter_innen gegründet wurde. Heute kämpfen zwischen 20.000 und 30.000 Aktivist_innen für ein „alternatives Gesellschaftssystem“. Die Überwindung des Kapitalismus mit friedlichen Mitteln, wie Óscar betont, ist nämlich das erklärte Ziel der Gewerkschafter_innen. Spektakuläre Enteignungen von zehn Einkaufswägen mit Schulsachen aus einer Carrefour -Filiale zu Schulbeginn gehören ebenso zum aktionistischen Repertoire wie Landbesetzungen. Die SAT greift damit auf die alte andalusische Tradition der Propaganda der Tat zurück. Denn die SAT erreicht damit viel Zustimmung und steigert ihre Sympathiewerte. Bei den Padrones, den Großgrundbesitzer_innen und der Politik einmal ausgenommen.
Island liebt die Krise?
Der Flieger wackelte über die Faröer Inseln und ich musste an die grandiose Heimatbeschimpfung denken, die eine Zeit lang auf Wiener Hausfassaden zu lesen war: 9:0.
Das Flugzeug taumelte weiter durch den Orkan über dem Nordatlantik in Richtung Reykjavik. Die Fluglinie finanzierte sich die nächste Ladung steuerfreien Kerosins mit dem Verkauf unnützer Dinge, die in abgegriffenen Hochglanzkatalogen ausführlich beschrieben und bebildert waren. Hinter dem Werbekatalog klebte eine aufwändig gestaltete Fluglinienillustrierte. Kurzes Daumenkino, um die Zeit zu ermorden. „Island liebt die Krise?“ weiterlesen